Mercedes-Benz auf automatisierter Testfahrt in Australien

Rechts abbiegen von der linken Spur, blinkende Geschwindigkeitsbegrenzung, Kängurus springen über die Straße: Der Straßenverkehr in Australien birgt einige ganz besondere Herausforderungen. Automatisierte und autonome Fahrzeuge müssen diesen Besonderheiten Rechnung tragen.

Auf der dritten Etappe des Mercedes-Benz Intelligent World Drive hat das Testfahrzeug, das auf der Serien-Limousine der S-Klasse basiert, automatisierte Testfahrten auf Landstraßen, Autobahnen und in der Stadt Melbourne zu bewältigen. Um künftige, höher automatisierte Fahrfunktionen an länderspezifische Nutzer- und Verkehrsgewohnheiten anzupassen, hat Mercedes-Benz im September auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt den Intelligent World Drive gestartet. Ziel ist es, globale Einblicke in reale Verkehrsbedingungen für die Weiterentwicklung der Technologien zu gewinnen. Dabei sammelt das Testfahrzeug bis Januar 2018 umfassende Informationen in einer Vielzahl komplexer Verkehrssituationen auf fünf Kontinenten und lotet dabei die Grenzen der aktuellen Systeme aus.

Schwerpunkte der Testfahrten in Australien, die von Sydney über Canberra und Albury bis in den Stadtverkehr von Melbourne führen, sind die Validierung der digitalen Kartendaten von HERE, die Erkennung von landesspezifischen Verkehrszeichen und die Erprobung des innovativen DIGITAL LIGHT Systems.

Elektronische Geschwindigkeitsanzeigen – variable Geschwindigkeitslimits

Statt der klassischen Geschwindigkeitsbeschilderung aus Metall nutzt das australische Straßenverkehrssystem zunehmend elektronische Displays mit variablen Geschwindigkeitsbegrenzungen, die sowohl den Verkehrsfluss als auch die Sicherheit verbessern sollen. Sie sind mit einer leuchtend weißen LED-Anzeige, einem roten LED-Ring und einer gelben LED-Warnleuchte ausgestattet und können neben Geschwindigkeitsbegrenzungen auch einfache Symbole und Buchstaben anzeigen. In einigen Fällen werden sie nacheinander positioniert, um einen dynamischen Verkehrsfluss zu gewährleisten, und können ihre Anzeige innerhalb von Sekundenbruchteilen ändern. Diese Schilder sind eine große Herausforderung für die Leistungsfähigkeit der Digitalkamera und die Qualität der digitalen Kartendaten, die es ermöglichen, dass automatisierte Fahrfunktionen wie Aktiver Geschwindigkeitslimit-Assistent und Aktiver Abstands-Assistent DISTRONIC zuverlässig funktionieren.

„Hook Turn“ – aus der linken Spur rechts abbiegen

Eine weitere Besonderheit ist die Verkehrssituation, die als „ Hook Turn“ bezeichnet wird und weltweit nur in Melbourne anzutreffen ist. Sie dient zum Abbiegen von Straßen, die auch von Straßenbahnen im Stadtzentrum von Melbourne genutzt werden. Wer nach rechts über die Straßenbahngleise abbiegen will, muss in die linke Spur wechseln. Das Sensorsystem eines automatisierten und autonomen Fahrzeugs muss in der Lage sein, das Hook Turn-Schild zu erkennen und richtig zu interpretieren, so dass das System in der Zukunft auch in solchen Situationen Hilfe leisten kann.

Wildwechsel – Emus, Koalas, Wombats oder Kängurus

Ebenfalls ungewöhnlich im Vergleich zum europäischen oder amerikanischen Straßenverkehr ist die extrem hohe Anzahl von Tieren, die die Straße überqueren, insbesondere in den dünn besiedelten Regionen. Ebenso hoch ist die Zahl der Unfälle mit Emus, Koalas, Wombats oder Kängurus. Automatisierte Fahrfunktionen könnten helfen, das Risiko derartiger Kollisionen zu minimieren oder sie so weit wie möglich zu vermeiden. Dazu müssen Sensoren wie Kameras und Radarsysteme die Tiere rechtzeitig erkennen und ihre genaue Entfernung berechnen. Kängurus stellen zugegebenermaßen eine besondere Herausforderung dar, wenn es um die Weiterentwicklung der Sensorik geht, denn sie laufen nicht über die Straße, sondern hüpfen und erreichen dabei eine Höhe von bis zu 1,5 Metern und eine Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern. Außerdem stellt sich die Frage, wie das Fahrzeug reagieren soll, wenn es Tiere erkennt.

DIGITAL LIGHT – Testen der innovativen Beleuchtungsanlage

Das auf der S-Klasse basierende Testfahrzeug ist mit einem Scheinwerferprototyp mit der innovativen DIGITAL LIGHT Technologie ausgestattet. Dieses revolutionäre Beleuchtungssystem ermöglicht Funktionen, die Anfang 2015 im Forschungsfahrzeug F 015 Luxury in Motion als Zukunftsvision vorgestellt wurden. Das blendfreie kontinuierliche Fernlicht in HD-Qualität verwendet Chips mit über einer Million Mikrospiegeln und damit Pixeln pro Scheinwerfer. So erreicht es eine ideale Lichtverteilung unter allen Fahrbedingungen und kann auch Lichtschienen auf die Straße projizieren, um mit der Umgebung zu kommunizieren.
Die Testfahrten, die zum Intelligent World Drive gehören, bauen auf den umfassenden Erfahrungen aus vorausgegangenen automatisierten Testfahrten auf. Australien ist einer der Kernmärkte von Mercedes-Benz. Mercedes-Benz Australia testet deshalb bereits seit März 2017 in enger Zusammenarbeit mit dem Forschungs- und Entwicklungszentrum in Deutschland mit einem eigenen Versuchsfahrzeug auf Basis der E‑Klasse automatisierte Fahrfunktionen. Diese E‑Klasse ist mit der Softwaretechnologie der neuen S‑Klasse ausgestattet. Mit mehr als 20.000 gefahrenen Testkilometern zwischen Perth und Melbourne sowie Melbourne und Brisbane hat sie wertvolle Informationen über lokale Verkehrspraktiken und Verkehrszeichen gesammelt und die digitalen Kartendaten von HERE umfassend getestet. Ab Dezember wird sich diese E‑Klasse den spezifischen Herausforderungen des Straßenverkehrs in Neuseeland stellen.

Intelligent World Drive – fünf Kontinente in fünf Monaten

Die Besonderheiten in Australien zeigen, wie wichtig es auf dem Weg zum autonomen Fahren ist, weltweite Einblicke in den realen Verkehr zu gewinnen und automatisierte Fahrfunktionen an die jeweiligen Verkehrspraktiken und ‑bedingungen anzupassen. Mit dem Intelligent World Drive testet Mercedes-Benz über einen Zeitraum von fünf Monaten automatisierte Fahrfunktionen auf fünf Kontinenten.

Die erste Fahrt des Testfahrzeugs auf Basis der S‑Klasse fand im September in Deutschland statt. Der Fokus lag dabei auf der Beurteilung des spezifischen Fahrverhaltens auf Autobahnen und in Stausituationen. Auf der zweiten Etappe im Oktober bewältigte die automatisierte S‑Klasse den extrem dichten Verkehrsfluss in der chinesischen Millionenmetropole Shanghai und sammelte Informationen zu infrastrukturellen Merkmalen wie zum Beispiel spurabhängigen Geschwindigkeitsbegrenzungen und Spurmarkierungen mit mehreren Bedeutungen. Auf die Testfahrten in Australien folgen im Dezember Tests in Südafrika, wo insbesondere die Fußgängererkennung in vielen ungewohnten Situationen eine wichtige Rolle spielen wird. Die letzte Station des Intelligent World Drive wird die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas im Januar 2018 sein. Die Testfahrt im Großraum Los Angeles und anschließend weiter nach Las Vegas wird sich auf die Auswertung des Fahrverhaltens im dichten amerikanischen Stadtverkehr und bei Staus sowie beim Überholtwerden durch Fahrzeuge auf der rechten Spur auf Autobahnen konzentrieren.

CASE – auf dem Weg zum autonomen Fahren

Mercedes-Benz hat in den vergangenen sieben Jahren weltweit rund 5100 Testfahrten mit 175 Testfahrzeugen für Validierungen von Fahrerassistenzsystemen durchgeführt. Ein Großteil davon fand im Rahmen von kundennahen Fahrerprobungen statt. Die Leistung der Fahrerassistenzsysteme wurde in Europa, den USA, China, Australien und Südafrika auf rund 9,5 Millionen Kilometern bewertet, und speziell zu ihrer kontinuierlichen Verbesserung wurden mehr als 1,2 Millionen Messungen in realen Verkehrssituationen vorgenommen.

Autonomes Fahren ist eines der vier strategischen Zukunftsfelder, die unter dem Akronym CASE integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie der Daimler AG sind. CASE – diese Buchstaben prägen die Zukunft der Mobilität. Sie stehen für Vernetzung (Connected), autonomes Fahren (Autonomous), flexible Nutzung (Shared & Services) und elektrische Antriebe (Electric). Ziel ist es, durch intelligente Verzahnung aller vier CASE-Themen eine intuitive Mobilität für unsere Kunden zu gestalten.

www.daimler.com

Please follow and like us:

05.12.2017   |  

Das könnte Sie auch interessieren