Andreas Salewsky (r.), Werkleiter Volkswagen Group Components Salzgitter, nahm die Pilotanlage Batterie-Recycling gemeinsam mit Betriebsratvorsitzenden Dirk Windmüller in Betrieb.

Aus alt mach neu: Pilotanlage Batterie-Recycling in Salzgitter

Für den Betrieb der E-Fahrzeuge wird Strom benötigt, gespeichert in vielen kleinen Batteriezellen und schuhkartongroßen Modulen. Sie sind das Herz des E-Fahrzeugs – und seine Schlüsselkomponenten. Doch was passiert, wenn eine Batterie das Ende ihres Lebens erreicht? Die Lösung wurde von der Forschung und Entwicklung des Volkswagen Konzerns gefunden und gemeinsam mit Volkswagen Group Components serienreif gemacht: Ein innovatives und nachhaltiges Verfahren für BatterieRecycling, das Volkswagen Group Components jetzt am Standort Salzgitter in einer Pilotanlage einsetzt.

Gespräch mit Thomas Schmall, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, Geschäftsbereich „Technik“, und Vorstandsvorsitzender der Volkswagen Group Components, und Mark Möller, Leiter Geschäftsbereich Technische Entwicklung & E-Mobilität.

Chairman of the Board of Management of Volkswagen Group Components

Das Thema Batterie hat enorm an Aufmerksamkeit gewonnen – warum?

Thomas Schmall: Die Batterie ist nicht irgendein Bauteil, sondern neben der Software die wichtigste Komponente des E-Autos. Sie bestimmt Kosten, Reichweite, Ladezeit und Fahrerlebnis entscheidend. Darum ist sie maßgeblich für die Kundenzufriedenheit und damit auch für den künftigen Unternehmenserfolg.

Warum steigt Volkswagen gerade jetzt ins Batterie-Recycling ein?
Thomas Schmall: Gerade weil die Batterie das Herzstück der E-Mobilität ist, wollen wir sie von der Zellforschung bis zum Recycling verstehen, um die volle Technologie-Kompetenz entlang der Wertschöpfungskette zu haben. Wenn wir den Rohstoffkreislauf nicht mehr aus der Hand geben, ist das gut für Klimaschutz und Versorgungssicherheit – mit der Pilotanlage in Salzgitter gestalten wir ein Zukunftsthema mit großem ökologischen und ökonomischen Potential.

Auf das Thema Nachhaltigkeit kommen wir gleich noch zurück. Was genau wird mit den Batterien gemacht, Herr Möller?
Mark Möller: Zuerst prüfen wir sehr gründlich den „Gesundheitszustand“ jeder Batterie, die zu uns kommt. Ist die Restkapazität hoch genug, kann sie zum Beispiel als Austauschteil im Auto oder in einer flexiblen Schnellladesäule weitergenutzt werden. Das nennen wir „Second Life“, das zweite Leben.

Und wenn die Batterie nicht mehr fit genug ist?
Mark Möller: Dann wird sie tiefenentladen und demontiert. Schon dabei gewinnen wir zum Beispiel das Aluminium des Gehäuses und das Kupfer der Hochvoltkabel zurück. Dann kommen die Module über ein Transportband in die Recycling-Anlage, werden mechanisch zerkleinert, die Bestandteile getrocknet und gesiebt, womit wir weitere Mengen Aluminium, Kupfer, Kunststoff und Stahl herausfiltern. Das summiert sich bei einer 400-Kilo-Batterie auf mehr als 100 Kilo Aluminium, mehr als 20 Kilo Kupfer und mehr als 100 Kilo Kathodenmetalle.

Das sind die eigentlich wertvollen Rohstoffe Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt?
Mark Möller: Richtig, darauf liegt unser Hauptaugenmerk – diese besonders wertvollen Rohstoffe stecken zusammen mit Graphit im so genannten „Schwarzen Pulver“. Es enthält wesentliche Bestandteile der Batteriezelle, die bei der Herstellung von neuem Kathodenmaterial genutzt werden können. Den letzten Schritt übernimmt zunächst noch ein Partner, der das Pulver mit Wasser und chemischen Mitteln weiterbehandelt und so die einzelnen Rohstoffe sortenrein trennt.

Werden die zurückgewonnenen Rohstoffe denn wirklich wieder in die nächste Batterie gefüllt? Wie genau geht das und wer macht das?
Thomas Schmall: Wir wissen durch unsere Forschung, dass recycelte Batterie-Rohstoffe genauso leistungsfähig sind wie neue. Da wir zurzeit noch keine eigene Serienfertigung von Batteriezellen haben, können wir mit dem zurückgewonnenen Material in unserem Center of Excellence Batteriezelle in Salzgitter neue Kathoden entwickeln und in unserer Pilotanlage testen – allein und mit Partnern wie Northvolt.

Welche konkreten Vorteile hat das Batterie-Recycling in Eigenregie in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Thomas Schmall: Eine entscheidende Frage, die leicht zu beantworten ist. Die Batterie ist das teuerste Bauteil des E-Autos, weil einiges an wertvollem Material darin steckt. Wenn wir das zurückholen und wiederverwenden, schaffen wir eine nachhaltige Alternative zur Förderung weiterer Rohstoffe aus der Erde.

Also eine reine Kostenfrage?
Thomas Schmall: Es ist gut, sich um Kosten zu kümmern, und natürlich müssen wir weniger Rohstoffe kaufen, wenn wir sie selber herstellen. Damit werden wir auf lange Sicht weniger vom Markt abhängig. Zum wirtschaftlichen Vorteil kommen aber ökologische und soziale. Wir sparen großen Mengen CO₂ ein und entlasten die Umwelt durch Mehrfachverwendung von Metallen und seltenen Rohstoffen. Zusätzlich schaffen wir eine vollkommen transparente Lieferkette und gleichzeitig auch ein ganz neues Aufgabenfeld für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist win-win-win.

Wenn wir noch mal auf den Recycling-Prozess selber zurückkommen: Wie viel Prozent der Batterie können Sie denn recyceln, Herr Möller?
Mark Möller: Heute werden Batterien meist in einem thermischen Verfahren durch Einschmelzen im Hochofen recycelt. Pyrometallurgie, so der Fachbegriff, bringt im Normalfall eine Material-Rückgewinnung von mehr als 50 Prozent. Bezogen auf den Gesamtprozess mit hydrometallurgischer Nachbehandlung liegen wir bei mehr als 95 Prozent des Batteriegewichts, die wir aus dem Prozess holen. Unser Ziel ist der geschlossene Kreislauf der wichtigsten E-Rohstoffe mit Weiterverwendung als Kathodenmaterial. Wir werden die Zeit bis 2030, wenn allmählich größere Mengen an Batterie-Rückläufern aus dem Markt kommen, zur Optimierung der Resultate nutzen.

Sie sind ja zur Rücknahme ohnehin gesetzlich verpflichtet. Wie bekommen Sie den Kunden dazu, Ihnen seine letztlich wertvolle Fahrzeugbatterie freiwillig zu überlassen?
Mark Möller: Richtig, wir nehmen die ausgediente Batterie jederzeit kostenlos zurück. Dem Kunden entstehen für die Entsorgung keine Kosten. Im Gegenteil, der Kunde könnte zum Beispiel belohnt werden. Das kann ein
Zuschuss analog zum Modell „Apple Trade In“ oder ein attraktives Leasingangebot sein. Auf jeden Fall wird der Kunde mit einem guten Gewissen vom Hof des Händlers fahren, weil er weiß, dass seine Batterie ein zweites Leben bekommt oder gleich recycelt wird – und die wertvollsten Bestandteile dann in der Batterie eines neuen E-Autos einer Konzernmarke unterwegs sind.

Herr Schmall, es wird eine ganze Weile dauern, bis richtig viele Batterien zu recyceln sind. Wollen Sie die irgendwann nach 2030 sprunghaft steigenden Mengen alle nach Salzgitter fahren?
Thomas Schmall: Ganz sicher nicht, die Logistik wäre zu aufwendig und ökologisch unsinnig. Volkswagen Group Components pilotiert im Auftrag des Konzerns das Batterie-Recycling, dann kommt der Roll-out an die Standorte der Marken. Wo die Anlagen später stehen und wie groß sie sein werden, hängt auch stark von der Entwicklung der E-Mobilität in den einzelnen Märkten ab. Bis dahin erproben und verbessern wir in Ruhe den Prozess in Salzgitter als Blueprint und bereiten uns mit diesen Erkenntnissen auf steigende Volumina vor, die wir dann dezentral handhaben werden.

Die Komponente ist schon seit 2015 mitten in einer tiefgreifenden Transformation hin zu innovativen Produkten mit Zukunft. Was bedeutet Recycling für die Belegschaft: Entstehen hier ganz neue Berufsfelder?
Thomas Schmall: Ich sehe gute Chancen für Experten in Hochvolttechnik. Wir brauchen insbesondere speziell geschulte Elektrofachkräfte, die die Analyse, Entladung und Demontage von Batterien durchführen und den Prozess überwachen. Auch in der Prozessentwicklung sind neue Kompetenzen gefragt. Hier müssen Mitarbeiter BatterieMaterialien verstehen und Know-how in mechanischen und chemischen Separationsverfahren mitbringen, um den Prozess zu optimieren.

Mit Blick auf Wettbewerber: Wird der Batterie- Recycling-Experte der IT-Spezialist von heute? Stichwort „Kampf um Talente“?
Thomas Schmall: Ja, aber nicht im selben Maßstab. Beim Recycling geht es um ähnliche Kompetenzen wie in der Zellherstellung – wer etwas auseinandernimmt, sollte vorher besser verstehen, wie es zusammengebaut wurde. Er oder sie muss Kenntnisse über Rohstoffe, Zellzusammensetzung und Verarbeitungsprozesse haben, und auch über Analyse-Parameter und Trennverfahren. Solche hoch spezialisierten Leute brauchen wir künftig an vielen Stellen!

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09.04.2021   |  

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