Marco Kollmeier, Vice President der Business Unit E-Mobility bei Benteler

eMove360° nachgefragt: Marco Kollmeier, Vice President Business Unit E-Mobility bei Benteler Automotive

Mehr Fahrspaß, architektonische Besonderheiten, große Potenziale: Marco Kollmeier, Vice President der Business Unit E-Mobility bei Benteler, über die Herausforderungen und Chancen von E-Mobilität.

Die Zahlen für Neuzulassungen bei E-Autos steigen deutlich an, etwa in Deutschland. Kann die starke Nachfrage von den Automobilherstellern überhaupt bedient werden?
Marco Kollmeier: Die Nachfrage ist zur Zeit tatsächlich größer als das Angebot. Einerseits ist die Produktionskapazität der Automobilhersteller noch nicht auf dem Niveau, mit dem die Nachfrage abgedeckt werden könnte. Andererseits ist die Anzahl der neuen E-Modelle, besonders im bezahlbaren B/C-Segment noch sehr überschaubar. Da gibt es für Automobilproduzenten also Potenzial.
Als Systemlieferant für E-Mobility unterstützen wir jene mit unseren modularen Plattformlösungen. Denn auf ihrer Basis lassen sich elektrische Fahrzeuge schnell, kostengünstig und vor allem auch zuverlässig aufbauen. Die Automobilher
steller sparen sich so die langwierige und ressourcenintensive Entwicklung.

E-Motoren sind aus weniger Teilen aufgebaut als Verbrenner. Dadurch sind sie in der Produktion weniger komplex. Ist damit auch die Konstruktion von E-Autos einfacher?
Kollmeier: E-Fahrzeuge bestehen aus weniger Teilen, aber sie sind nicht einfacher zu entwickeln oder herzustellen. Im Gegenteil. Die Entwicklung stellt Automobilhersteller vor große Herausforderungen. Denn E-Fahrzeuge erfordern ganz andere Ansätze und Ingenieurskonzepte, als wir sie von Verbrennungsmotoren kennen – etwa beim Themenkomplex Batterie, Hochvolt-Steuerung, Schnellladen und Sicherheit. Oder beim elektrischen Antriebsstrang, der im Fahrzeug untergebracht werden muss.
Wir bei Benteler haben den Vorteil, dass wir einerseits als globaler Tier-1-Supplier seit Jahrzehnten Systemkompetenz in der Fahrwerksentwicklung, der Fahrzeugstruktur und im Antriebsstrang besitzen und zugleich spezielles Know-how im Bereich E-Mobility aufgebaut haben, das wir in einer eigenen Business Unit bündeln.

Sie kennen beide Seiten: Wo liegt architektonisch der größte Unterschied zwischen einem herkömmlichem und einem E-Auto?
Kollmeier: Das E-Auto hat keinen Verbrennungsmotor, der sich üblicherweise im vorderen Teil des Fahrzeugs befindet. Das Herz des E-Autos ist der Batteriepack, der sich im Unterboden befindet. ‚Verbrennungsmotor raus, E-Motor rein‘ geht also nicht. Durch diese wesentliche Änderung der Architektur ergeben sich neue Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten. Der Vorderwagen und damit der Fußraum bzw. die ganze Karosserie des Fahrzeugs kann neu designt werden. Dies ermöglicht verbesserte und neue Funktionen. Zum Beispiel hat das Auto durch die Batterie einen tieferen Schwerpunkt, der der Fahrdynamik hilft. Wer schon einmal ein E-Auto gefahren ist, kennt diesen Fahrspaß – nicht nur wegen der nahtlosen Beschleunigung des E-Motors, der ja kein Drehmomentloch hat, sondern auch wegen der sehr guten Straßenlage.

Wie steht es um die Sicherheit? Zuletzt gab es Meldungen von brennenden E-Autos…
Kollmeier: Das Crash-Management ist eine Herausforderung, aber das gilt nicht nur für E-Autos. Auch Verbrenner können in Brand geraten. Bei elektrisch betriebenen Fahrzeugen gilt es, den Batteriepack besonders zu schützen. Darum muss der dazugehörige Batteriekasten gute Crash-Absorbierungskräfte haben, sehr steif und zudem absolut dicht sein, damit bei einem Unfall keine Flüssigkeiten aus der Batterie austreten. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Crash-Management maßgeblich weiterentwickelt, mittlerweile gibt es auch sehr strenge gesetzliche Vorgaben. Ein sicheres und zuverlässiges E-Auto zu bauen ist also definitv nicht leichter, es ist anders und ein durchaus komplexes Vorhaben. Wir bei Benteler haben langjährige Erfahrung in der Produktion von Batteriewannen. Mit unseren innovativen Faltwannen zum Beispiel: Sie sind aus einem einzigen Stahl- oder Aluminiumblech gefertigt. Das bietet einen verbesserten Batterieschutz, da die Schale vollständig versiegelt ist.

Es gibt immer wieder Diskussionen über die Öko-Bilanz von E-Fahrzeugen – wer ist umweltfreundlicher, E-Auto oder Verbrenner?
Kollmeier: Wenn man sich die Ökobilanz inklusive der Produktion und der Treibstoffgewinnung über den gesamten Lebenszyklus ansieht, gewinnt das E-Auto: Die meisten elektrisch betriebenen Fahrzeuge haben nach acht Jahren – sie halten in der Regel aber deutlich länger – eine bessere CO₂-Bilanz als Autos mit Verbrennungsmotoren. Das E-Auto hilft also zweifach, Emissionen zu reduzieren: einerseits regional in Großstädten, andererseits über den gesamten Lebenszyklus.
Das wird in Zukunft noch wichtiger, da sich unsere Lebensweise verändert. Stichwort „Last Mile Delivery“: Wir kaufen immer mehr im Internet, nutzen Lieferdienste, bestellen on demand. Dadurch nimmt der Transportverkehr zu, insbesondere der kleinere innerstädtische, wo es um die besagte letzte Meile zum Kunden geht. Wenn man dies mit elektrifizierten Fahrzeugen bewerkstelligt, verbessert man die Umweltbilanz deutlich. Große Postanbieter oder internationale Versanddienste machen das schon so. Ein Online-Handelsdienst lässt jetzt sogar eigene elektrische Transportfahrzeuge bauen.
Wir denken noch etwas weiter und haben mit unserem Partnernetzwerk neben diesen Cargo-Lösungen auch eine Plattform für neue Formen des öffentlichen Nahverkehrs entwickelt – teil-autonom fahrende elektrisch betriebene barrierefreie People Mover für acht bis 25 Personen. In China gibt es solche Fahrzeuge immer häufiger, in Kalifornien werden sie bereits eingesetzt und auch in Deutschland gibt es sie, etwa in Hamburg. Das kommt immer mehr – und wir kommen damit der emissionsfreien Mobilität ein Stück näher.

Aus Kundensicht: Was macht Benteler besonders?
Kollmeier: Egal, an welcher Stelle der Entwicklung unsere Kunden stehen – wir haben die Produkte, Services und Anwendungsmöglichkeiten, um ihre E-Mobilitätslösung auf die Straße zu bringen. Möglich machen das unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unsere Familie der Lösungsmacher: We help accelerate your business.

■ Weitere Informationen: www.benteler-automotive.com

Diesen und weitere Beiträge zum Thema Mobilität 4.0 elektrisch-vernetzt-autonom finden Sie im aktuellen eMove360° Magazin 03/2021. Kostenloses Download-PDF.

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