During the strategy development process, Silja Pieh relies on the expertise of the employees. Foto: Audi AG

eMove360° Women-in-Tech-Interview: Silja Pieh, Leiterin Unternehmensstrategie AUDI AG

In der eMove360° Serie Women in Tech stellen wir inspirierende Frauen vor, die erfolgreich in der Automotive-Branche Fuß gefasst haben. Nach Clotilde Delbros, CEO Mobilize, Fredrika Klarén, Head of Sustainability at Polestar sowie Marta Almuni, Cupra-Technikchefin möchten wir in dieser Ausgabe Silja Pieh, Leiterin Unternehmensstrategie AUDI AG vorstellen.

Sabine Metzger hat für das aktuelle eMove360° Magazin (Download-PDF) mit ihr gesprochen.

Bereits von 2012 bis 2017 waren Sie bei Audi tätig. Warum haben Sie sich entschieden, zurückzukommen? Was ist Ihre Motivation?

Silja Pieh: Ich habe mich bei Audi immer sehr wohl gefühlt und das Unternehmen passt zu mir. Die Aufgabe, als Strategiechefin gemeinsam mit einem neuen Vorstandsteam eine neue Strategie für Audi zu entwickeln und jetzt umzusetzen, ist extrem spannend und eine einmalige Chance. Dabei hat mich vor allem motiviert, dem Unternehmen Klarheit und Orientierung geben zu können.

Was ist das Beste an Ihrem Job? Was lieben Sie an Ihrer Arbeit?

Pieh: Wir haben jetzt die Chance, die Autoindustrie als Schlüsselindustrie und Jobmotor, insbesondere in Deutschland, fit für die Zukunft zu machen. Und zukunftsfähig wird unsere Branche nur dann sein, wenn ihr Geschäftsmodell nachhaltig ist. Gleichzeitig wollen wir den Menschen auch in Zeiten des Klimawandels die Freiheit der individuellen Mobilität ermöglichen – mit nachhaltigen, technischen Innovationen wie der E-Mobilität. Es geht also um das große Ganze: um die Zukunft der Automobilindustrie und die Zukunft der Mobilität.

Sie gelten als Architektin einer neuen Audi-Strategie. Können Sie uns diese kurz erklären?

Pieh: Mit „Vorsprung 2030“ hat Audi einen klaren Fahrplan für den Wandel zum Anbieter nachhaltiger individueller Mobilität. Einer der Kernpunkte ist der komplette Umstieg auf Elektromobilität. Ab 2026 bringen wir nur noch reine E-Modelle neu auf den Weltmarkt. Darüber hinaus adressieren wir in unserer Strategie gezielt das Thema Digitalisierung und wir schaffen ein Ökosystem rund um das elektrische und hoch-automatisierte Fahren. Übergreifend haben wir ambitionierte und transparente ESG-Kriterien verankert, das heißt in den Bereichen Environment, Social and Governance. Das heißt Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft sowie nachhaltiges Wirtschaften spielen in allen Entscheidungen eine wichtige Rolle.

Wie genau kann man sich die Arbeit einer Chef-Strategin vorstellen?

Pieh: Es geht darum, mit Hilfe von Analysen die Zukunft zu antizipieren und zu identifizieren, wie das Unternehmen auch langfristig noch Geld verdient. Wir haben uns dafür maßgebliche Zukunftstrends der Mobilität von morgen angeschaut und daraus Wachstumschancen für Audi entlang der gesamten Wertschöpfungskette definiert. Dabei war mir besonders wichtig, dass wir unsere Strategie inhouse, also selbst entwickeln und die Expertise der Mitarbeitenden, vor allem des Strategie-Teams, nutzen. Teams mit mehr als 500 Kolleg_innen aus verschiedenen Märkten und allen Hierarchieebenen waren in den Strategieprozess involviert. So haben wir innerhalb des Unternehmens ein starkes Verständnis für unseren gemeinsamen Weg geschaffen. Das hilft uns jetzt bei der Umsetzung.

Wie wichtig sind klare Ziele und Aussagen (Ende des Verbrenners)?

Pieh: In meinen Augen ist Klarheit das Wichtigste. Das ist die Voraussetzung dafür, dass alle ihre Kräfte an der richtigen Stelle einsetzen können. Mit unserem frühen und klaren Bekenntnis zu 100 Prozent E-Mobilität haben wir jetzt ausreichend Zeit, um die Transformation gezielt umzusetzen und die Mitarbeitenden auf diesem Weg mitzunehmen. Auch für unsere Lieferanten und Partner haben wir so Planungssicherheit geschaffen. Und auch in Richtung Politik ist es ein starkes Signal, um die notwendigen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Ladeinfrastruktur, zu schaffen.    

Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine zeigen uns gerade, wie wenig berechenbar die Zukunft ist. Ist es in Zeiten wie diesen überhaupt möglich eine Strategie zu entwickeln, die langfristig Bestand hat?

Pieh: Es ist richtig, dass wir aktuell mit vielen unerwarteten Ereignissen konfrontiert werden. Doch nicht alle Entwicklungen sind immer unsicher. Viele können wir durchaus im Vorfeld abschätzen. Digitalisierung und Elektromobilität sind und bleiben die zentralen Themen. Gleichzeitig sollten Unternehmensstrategien Flexibilität zulassen. Denn äußere Rahmenbedingungen, wie etwa regulatorische Anforderungen, verändern sich immer schneller. Gleichzeitig werden Innovations-, Markt- und Produktzyklen generell immer kürzer.

In einem Interview sagen Sie „Wir stehen vor einer neuen Zeitrechnung.“ Was genau meinen Sie damit und wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

Pieh: Viel mehr als die E-Mobilität wird die Digitalisierung das Autofahren verändern. Je mehr automatisierte Fahrfunktionen die Menschen beim Fahren entlasten, desto mehr können sie die Zeit im Auto anders nutzen – zum Entspannen, Arbeiten oder für Entertainment. Außerdem erleichtern miteinander vernetzte Autoflotten den Verkehrsfluss, erhöhen die Sicherheit im Straßenverkehr und reduzieren Emissionen signifikant. Im ländlichen Raum können vernetzte und autonome Fahrzeuge auch Menschen, die selbst kein Auto steuern können, wieder mehr individuelle Freiheiten und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Insgesamt wird die Digitalisierung die Mobilität also komfortabler, sicherer, effizienter und nachhaltiger machen.

Welche Rolle spielt für Sie – als Frau in einer noch eher männerdominierten Branche – das Thema Diversität?

Pieh: Ich glaube, das Thema Diversität zeigt sich nicht nur in der Chancengleichheit von Männern und Frauen, sondern vor allem auch bei der Akzeptanz „diverser“ Sicht- und Denkweisen. Wir müssen es als Unternehmen schaffen, „Anders-Sein“ als Mehrwert zu sehen und nicht als „Störung“ des Bekannten. Das betrifft das Männer-Frauen-Verhältnis, den Anteil internationaler Kolleg_Innen oder unterschiedliche Erfahrungs- und Studien-Hintergründe. Gerade die Transformation in Richtung Digitalisierung erfordert von uns ein komplettes Umdenken bei Entwicklungsprozessen, Herangehensweisen und Geschwindigkeit. Da haben wir als Unternehmen noch ein ganzes Stück Weg vor uns.  Auch in Sachen Chancengleichheit sind wir – wie auch andere Branchen – sicherlich noch nicht am Ziel. Doch Unternehmen wie Audi haben erkannt, dass Vielfalt kein Nice to have ist, sondern ein zentraler Erfolgsfaktor. Deswegen setzen wir uns aktiv Ziele, Schritt für Schritt zu mehr Diversität zu kommen. Denn das haben wir mittlerweile gelernt: ohne konkrete Ziele geht es nicht.

 Wo holen Sie sich Kraft und Inspiration für Ihre Arbeit?

Pieh: Mir macht meine Arbeit, vor allem mit meinem Team, Spaß. Sie gibt mir viel Energie zurück. Doch um nicht „betriebsblind“ zu werden, tue ich regelmäßig bewusst Dinge, die gar nichts mit Autos zu tun haben. Bewusste Pausen beim Sport und komplettes Abschalten im Urlaub oder an Wochenenden halte ich für enorm wichtig, um leistungsfähig zu bleiben.

Welches Lebensmotto haben Sie?

Pieh: Nicht reden – machen.

 

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21.09.2022   |  

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