Ein Beispiel für die Innovationskraft deutscher Unternehmer im internationalen und europäischen Umfeld: Der junge deutsche Visionär Frank Saalfeld zieht 2021 nach Barcelona, um seine Vision einer Flug-Fahrt-Drohne zu verwirklichen. 2023 gründete er das Startup Grasshopper Air Mobility und bereits ein Jahr später wird Saalfrank auf der Barcelona New Economy Week (BNEW) mit seinem e350 Flying Cargo Van als bestes Startup 2024 in der Kategorie Aviation ausgezeichnet.
Sabine Metzger hat für das aktuelle eMove360° Magazin mit ihm über seinen spannenden Weg dorthin und seine Pläne für die Zukunft gesprochen.
Herr Saalfrank, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Bitte skizzieren Sie kurz Ihren bisherigen Werdegang.
Jakob Saalfrank: Ich bin im Berlin der frühen 2000er aufgewachsen, als Kind im Osten, als Jugendlicher im Westen, und später in der Oberstufe verbrachte ich ein Jahr in Dallas, Texas. Nach Abschluss des Abiturs studierte ich an der HWR Berlin International Business und währenddessen bei verschiedenen Startups gearbeitet. Außerdem studierte ich ein Jahr in Cambridge und machte ebenfalls ein Jahr ein Praktikum in Barcelona.
Nach Abschluss des Bachelor-Studiums arbeitete ich in Graz als IT Logistik-Berater für SSI Schäfer, ein Unternehmen, das voll- und halbautomatische Warenläger in Europa und der Welt baut. In meiner Zeit dort begleitete und leitete ich Projekte in Tschechien, Schweden, Österreich und der Schweiz.
Während der Pandemie erwarb ich einen Master im Digitalen Produkt Management. Ende 2021 entschied ich, meiner Vision zu folgen, den festen Job zu kündigen, und mein eigenes Startup zu gründen.
Wie haben Sie Ihre Vision einer Flug-Fahrt-Drohne entwickelt?
Saalfrank: Ich kam auf die Idee während meiner Zeit in Graz. Dort musste ich jeden Tag morgens und abends 20 Kilometer zur Firmenzentrale in ein Dorf pendeln. Das dauerte mit öffentlichen Verkehrsmitteln jeweils eine Stunde. Ich fragte mich, warum gibt es keine fliegenden Autos? In meiner Vision sollte es autonom fliegen, als Shared-Mobility-Model genutzt werden und klimaneutral funktionieren können.
Wie kann man sich das vorstellen? Sie haben eine Vision, gehen nach Barcelona, gründen ein Startup. Wie genau ging es dann weiter?
Saalfrank: „Tatsächlich hatte ich meine Vision bereits 2018, kurz nachdem ich nach Österreich gegangen bin. Dort wollte ich schon kündigen, habe dann aber noch tatsächlich dreieinhalb Jahre weiter gearbeitet.
Ende 2021 bin ich schließlich nach Barcelona gezogen und musste erst einmal herausfinden, wie baue ich denn ein Leben auf, um ein Startup gründen zu können? Ich habe mir einen Teilzeit-Job gesucht und mich selbstständig gemacht, um Erfahrung zu sammeln. Anfang 2023 habe ich mich dann entschlossen, keine großen Freelance-Verträge mehr anzunehmen, um mich in meiner Zeit neben dem Teilzeit-Job komplett der Gründung des Startups widmen zu können.
Ich habe begonnen, ein Pitch Deck zu schreiben, die Wettbewerber zu analysieren, verschiedene Events aufzusuchen und ein Team aufzubauen. Nach vielen Wochen auf LinkedIn und in Online-Interviews hatte ich viele interessierte Mitarbeiter und potenzielle Co-Founder kennengelernt und ab einem Moment dann einfach angefangen mit einem harten Kern gemeinsam an der Idee zu arbeiten. Ende 2023 habe ich dann gegründet.“
Sie erwähnen immer wieder ein fliegendes Auto für Passagiere. Wie kam es, dass Sie nun eine Fracht-Drohne entwickeln?
Saalfrank: Im Zuge unserer Analyse in der Anfangszeit mussten wir feststellen, dass die Idee des fliegenden Autos tatsächlich nicht an der Technologie scheitert, sondern an den Regulierungs-Hürden. Die Zertifizierung eines solchen Autos kostet laut einer Studie des Roland-Berger-Instituts zwischen 2 bis 2,5 Milliarden Euro. Das heißt wiederum, dass man diese Summe investieren muss, bevor man sein eigenes Business Modell testen kann.
2023 entschieden wir uns, unser fliegendes Auto auf die Logistik zuzuschneiden. Hier kommt mir zugute, dass ich dreieinhalb Jahre in der automatischen Logistik gearbeitet habe.
Erklären Sie kurz den „fliegenden Lieferwagen“, den e350 Flying Cargo Van?
Saalfrank: Unser Modell e350, vergleichbar mit der Größe eines Kleinwagens, verfügt über faltbare Flügel und einen schwenkbaren Düsenantrieb, die es ermöglichen, sowohl zu fliegen als auch auf Straßen zu fahren. Diese Flexibilität erlaubt es der Drohne, nahtlos zwischen Luft- und Bodentransport zu wechseln, was sie ideal für schnelle und effiziente Lieferungen macht.
Das heißt, wir starten und landen wie ein Helikopter, in der Luft fliegen wir aber wie ein Flugzeug über Flügel, um auf eine Geschwindigkeit von 220km/h über eine Distanz von 200 km zu kommen.
Nach der Landung klappen wir die Flügel zusammen und fahren zum Endpunkt, in unserem Fall Warenläger, Fabriken, Industriezonen, Flughäfen, Häfen, oder auch andere Infrastrukturpunkte. Das Gesamtkonzept basiert auf einem Cargo-Container-System, in welchem sich der Großteil der Batterien befindet. An Start und Ziel gibt es dann noch eine Infrastruktur, auf welcher die Container ge- und beladen werden.
Das heißt, es wird immer ein Cargo Container abgeladen mit entladenen Batterien und der entsprechenden Ladung, die geliefert werden muss. Dann wird der nächste Container aufgenommen, der frische Batterien enthält und bereits mit der nächsten Fracht geladen ist. Somit findet immer ein Austausch an Batterie und Ladung statt. Es ist faktisch keine Turnaround-Time notwendig und der gesamte Prozess funktioniert ohne, dass ein Mensch tatsächlich mit der Drohne interagieren muss.
Was kann der e350 transportieren?
Saalfrank: Unser Fokus ist Industrie-Fracht, die auf Paletten transportiert wird. Das Maximaltransportgewicht der Paletten für den e350 beträgt 350kg. Wir richten uns dabei an die herstellende Industrie, Just-In-Time Fabrikation, komplexe Lieferketten, wie z.B. Automobil-Zulieferketten, pharmazeutische Produkte, elektrische Produkte, hochwertige, teure oder sensible Produkte, und schnell benötigte Lieferungen.
Was macht den e350 besonders?
Saalfrank: Das was unsere Drohne von anderen Frachtdrohnen unterscheidet, ist die direkte Integration in Bodenlogistik-Prozesse. Wir haben das Ziel die Industrie von morgen mit der Flug-Mobilität von morgen direkt zu verbinden. Es gibt keine andere Drohne auf der gesamten Welt, die sich an die automatisierte Industrie richtet. Das schaffen wir durch unsere integrierte Fahrfähigkeit und mit unserer schon erwähnten Infrastruktur, der Charging and Loading Stations, kurz CLS.
Weiterhin ist ein Merkmal, dass wir einen großen Fokus auf die Nachhaltigkeit legen. Wir agieren komplett emissionsfrei, achten bei der Auswahl unserer Zulieferer, dass deren Produkte aus mit einer guten Lieferkette hergestellt wurden und versuchen Circular Economy-Fabrikation anzuwenden. Weiterhin planen wir eine Version mit Wasserstoffantrieb, welcher tatsächlich noch positiver für die Umwelt ist als die Elektromobilität. Hier sind wir auch Vorreiter, da die meisten anderen Schwerlast-Drohnen auf Verbrennermotoren setzen.
Wir richten uns damit an zwei verschiedene Kern-Anwendungsgebiete von morgen, auf der einen Seite die Industrie 4.0 mit automatisierten, IOT betriebenen Lagern und Fabriken, wie auch die Städte von morgen, die sich um autofreie Zonen bemühen.
Warum gehen die Vorteile weit über herkömmliche Luftfrachtlösungen hinaus?
Saalfrank: Unsere Systeme sind so konzipiert, dass sie maximale Effizienz durch Autonomie erreichen, indem sie menschliches Eingreifen quasi obsolet machen. Dies führt auf der einen Seite zu einer ununterbrochenen Transparenz im Lieferprozess, bei der alle Daten durchgehend erzeugt und sichtbar gemacht werden. Auf der anderen Seite erhöht sich auch die Sicherheit, da kein Mensch an die transportierten Güter gelangen kann, weder bei der Be- oder Entladung, noch während des Transports in der Luft. Weiterhin reduzieren wir das Risiko menschlicher Fehler und erhöhen gleichzeitig die Zuverlässigkeit unserer Lieferungen.
Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die drastische Reduzierung der Turnaround-Zeit. Unsere Drohnen sind so konzipiert, dass sie keine Wartezeiten auf Landeplätzen benötigen. Nach der Entladung an einem Zielort fahren sie sofort weiter, um den nächsten Auftrag zu übernehmen. Dies macht unsere Operationen nicht nur schneller, sondern auch wesentlich effizienter, da jeder Landeplatz optimal genutzt wird und somit die Komplexität unserer Lande-Infrastruktur erheblich verringert wird.
Zudem ermöglicht die direkte Einbindung unserer Technologie in Industriegebiete eine nahtlose Integration in bestehende logistische Abläufe. Theoretisch kann eine einzige Landeinfrastruktur, ein sogenannter Vertiport, ein ganzes Industriegebiet autonom bedienen. Dies ist möglich, da unsere Drohnen imstande sind, jeden Ort im Umkreis von 10 Kilometern effizient anzufahren.
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie? Was sind die nächsten wichtigen Schritte?
Saalfrank: Es gibt zwei wirklich große Hürden. Zunächst ist unser Startup komplett aus der eigenen Tasche der Gründer finanziert, und wir als Gründerteam haben bisher noch keine Gründererfahrung. Das heißt, dass, obwohl wir uns mit erfahrenen Unternehmern umgeben haben, wir ständig neue Erfahrungen machen, und uns in einem Lernprozess befinden.
Die zweite Hürde ist, wie kommen wir mit einem innovativen Hardware- und Softwareprodukt von 0 to 1.
In unserer Industrie benötigt es eine bestimmte Flugzeug-Zertifizierung, um fliegen zu dürfen. Dafür ist in jedem Land die jeweilige Flug-Organisation zuständig – in Europa die EASA, in den USA die FAA, usw. In jedem Land, in dem wir Drohnen verkaufen wollen, müssen wir also zunächst zertifiziert werden. Zwar sind die Kosten deutlich geringer als für eine Passagierdrohne, aber angesichts der trotzdem hohen notwendigen Investition haben wir ein robustes Finanzmodell entwickelt, das auf konservativen Schätzungen und einer soliden Risikomanagementstrategie basiert. Die Zahl der neuartigen Fluggeräte wächst stetig und die FAA’s und EASA’s dieser Welt entwickeln zusammen mit den Firmen entsprechende Regulationen, doch sind diese wahrscheinlich erst auf 2028/29/30 vollständig vereinheitlicht.
In der Zwischenzeit werden wir einen Prototypen entwickeln. Wir werden an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen, Konsortien bilden, und unser Produkt über die Jahre durch die verschiedenen sog. „Technology Readiness Levels“ bringen, während wir bereits erste Zertifizierungsschritte unternehmen. In 2025 planen wir einen ersten physische Prototypen und unsere Pre-Seed-Investorenrunde.
Wie war die Resonanz auf der Barcelona New Economy Week (BNEW)?
Saalfrank: Die Resonanz war herausragend. Wir haben nicht nur unsere Designs veröffentlicht, um uns auf der Weltbühne anzukündigen, sondern sogar den Startup-Preis für das beste Startup 2024 in der Kategorie Aviation erhalten. Als der Bürgermeister von Barcelona mir diesen Preis persönlich überreicht hat und ich neben ihm stehend meine Vision der katalanischen Öffentlichkeit pitchen durfte, war ich wirklich schon sehr stolz. In dem Moment wurde mir klar, dass ich es als junger deutscher Unternehmer in Barcelona schon zu etwas gebracht habe.
Weiterhin haben sich auch globale Business-Opportunities ergeben, welche wir mit großem Eifer verfolgen. Wir sind im Gespräch mit regionalen Flughäfen und nehmen weiterhin an vielen lokalen Events teil, um unser Netzwerk auszubauen. Ich bin nun Mitglied der Handelskammer von Barcelona und wir sind etabliert in der Startup-Szene von Katalonien. Es kann gerne so weitergehen.
Wann werden die ersten e350 im Einsatz sein?
Saalfrank: Realistischerweise reden wir von einem zertifizierten, kommerziellen Produkt im Jahr 2029. Aufgrund der langen und aufwändigen Zertifizierung, vielen Pilotprojekten, wie auch des teuren Industrialisierungsprozesses, reden wir von Masseneinsätzen eher in den frühen 2030er Jahren.
Wir suchen jedoch heute die Partner von morgen, welche bereit sind, diesen Weg mit uns zu gehen, das Produkt auf Ihre Industrie zuzuschneiden, und unsere Entwicklungszeit zu beschleunigen. Mit mehr Investition und mehr Rückendeckung der Industrie – beides Faktoren, die sich gegenseitig potenzieren – kann es in bestimmten Regionen der Welt auch schneller funktionieren. Wenn sich Leser hiervon angesprochen fühlen, freue ich mich über eine Kontaktaufnahme!
Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in zehn Jahren?
Saalfrank: In 10 Jahren haben wir weltweit viele neue Technologien, und ich bin mir sicher die Welt wird nicht wiederzuerkennen sein. Die Künstliche Intelligenz wird alle Bereiche des Lebens durchdrungen haben, und die Advanced Air Mobility mit autonomem Flug wird ebenfalls weltweit im Einsatz sein. Es wird viele neue Vertiports geben, und viele Unternehmen bieten Flüge und Transporte mit unterschiedlichsten, auf bestimmte Transporte spezialisierten Fluggeräten an.
Grasshopper Air Mobility wird verschiedene Modelle der autonomen Schwerfrachtdrohne am Markt haben, mit unterschiedlichen Gewichtsklassen und Distanzen. Weiterhin werden wir unsere Flug-Fahrt-Passagiermaschinen als Shared Mobility-Modell anbieten und somit die ländlichen Gebiete direkt in die städtischen Gebiete integriert haben.
Vielen Dank für das Gespräch.
Weitere Beiträge und Interviews rund um Elektromobilität & Autonomes Fahren lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des eMove360° Magazins. Kostenlos PDF downloaden oder Printversion bestellen unter sabine.metzger@emove360.com
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