Interview mit Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer: „Wir sind in der ersten Welle der Transformation“

Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer vom Duisburger CAR-Center Automotive Research ist einer der bekanntesten Automobilexperten. Im Interview spricht er über den Umbruch der Branche, die Erfolgsaussichten der E-Mobilität und den Automobilstandort Deutschland.

Die Autoindustrie steckt im Umbruch. Wie bewerten Sie die Situation Ende 2019?

Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer: Die Branche hat ein schwieriges Jahr hinter sich und es werden noch schwierige Jahre kommen. Dafür gibt es zwei wichtige Gründe: Zum einen den Zollkrieg zwischen den USA und China, der die Zulieferer noch stärker belastet als die Hersteller. In vielen Fällen führt er bereits zu Verlusten und Stellenabbau. Der zweite wichtige Grund ist der Paradigmenwechsel hin zur Elektromobilität. Neue Konzepte und Modelle kommen auf den Markt – gleichzeitig fällt aber Arbeit weg, die bisher mit dem Verbrennungsmotor verbunden war. Die Branche durchläuft den größten Wandel seit Erfindung des Autos. Diese Transformation wird uns noch länger beschäftigen. Ich gehe davon aus, dass wir 2019 nur den Beginn der ersten Welle erlebt haben.

Wie gut oder schlecht geht die Branche mit den Herausforderungen um?

Dudenhöffer: Es ist richtig, dass viele Unternehmen ihre Kosten senken, ihre Fabrikkapazitäten und die Beschäftigung anpassen. Alles andere wäre sträflich, denn der Verbrennungsmotor wird Stück für Stück zum Auslaufmodell. Aus diesem Grund ist es richtig, die Investitionen in die E-Mobilität zu bündeln. Wer das heute versäumt, dem fehlen morgen die Kunden.

Die Unternehmen sind sich keineswegs einig, welche Antriebstechnologie die erfolgversprechendste ist. Wie ist Ihre Meinung?

Dudenhöffer: Ich bin davon überzeugt, dass sich das vollelektrische Batterieauto durchsetzt und die Mobilität im Pkw-Sektor bestimmen wird. Brennstoffzellenfahrzeuge taugen allenfalls für Nutzfahrzeuge oder Busse. Fahrzeuge in der Größe eines Golf liegen mit Brennstoffzellenantrieb über 80.000 Euro. Das ist selbst bei 50-prozentiger Kostenreduktion nicht vermarktbar. Eine flächendeckende Wasserstoff-Tankinfrastruktur ist nicht finanzierbar und die Energiebilanz des Brennstoffzellenautos ist gruselig. Man macht aus Strom Wasserstoff und dann mit der Brennstoffzelle wieder Strom. Zum Antrieb werden 25 Prozent der eingesetzten Energie genutzt, beim batterieelektrischen Auto sind es 75 Prozent. Plug-in-Hybride werden oft als Brückentechnologie bezeichnet – nach meiner Einschätzung wird es aber eine recht kurze Brücke sein. Bei den Hybriden besteht ein großes Problem in den unzureichenden Kontrollmechanismen. Die Fahrzeuge helfen dem Klimaschutz ja nur dann, wenn der Fahrer den Elektromotor tatsächlich nutzt und nicht bloß die Kaufprämie mitnimmt. Das ist kaum zu überprüfen. Unter dem Strich bleibt nur, konsequent auf den E-Antrieb zu setzen – so wie es Volkswagen oder Tesla tun.

Wie stehen die Chancen, dass sich die E-Mobilität zügig durchsetzt?

Dudenhöffer: Ich rechne damit, dass der Durchbruch ab 2021 kommt – forciert durch die strengeren CO2-Vorgaben der EU. Die Unternehmen stehen dann unter hohem Druck, mehr E-Autos zu verkaufen, um teure und gesellschaftlich kaum akzeptierte Strafzahlungen zu vermeiden. Gerade auf dem deutschen Markt bringt das die Hersteller in ein Dilemma: Sie müssen mehr Elektroautos absetzen, aber der Sprit bleibt billig.

Was muss sich ändern?

Dudenhöffer: Eines der größten Probleme ist die konzeptionslose Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik, die von der Hand in den Mund lebt. Wenn man sich das anschaut, dann kann man manchmal den Glauben verlieren. Nehmen Sie das Klimapaket, das keinen klaren regulatorischen Rahmen für die E-Mobilität bietet, aber viele Fragen aufwirft – ob bei Ladesäulen oder Pendlerpauschale. Was wir dringend brauchen, sind deutlich höhere CO2- und damit höhere Spritpreise. Dann steigen die Leute auch schneller auf das Elektroauto um – selbst ohne Kaufprämie. Die heutigen Autobesitzer sollten wir vor Zusatzbelastungen schützen, indem sie für steigende Spritpreise einen finanziellen Ausgleich bekommen. Die Neuwagenkäufer steuern dann eigenständig um auf E. Bei so einer Lösung ist niemand schlechter gestellt. Aber jeder, der die Preise vergleicht, sieht die Vorteile eines Elektroautos.

Was können die Hersteller tun?

Dudenhöffer: Eine Stellschraube bietet der Vertrieb. Bislang betrachten viele Leute die Elektroautos skeptisch. Sie sind zum Beispiel nicht sicher, wie lange die Batterie hält oder welche Kosten auf sie zukommen. Diese Sorge könnten ihnen die Unternehmen mit einem monatlichen Abopreis nehmen: Der Kunde kann jederzeit ein E-Auto nutzen, er ist aber nicht der Eigentümer und trägt keine Risiken. Ähnlich wie beim Mietvertrag für eine Wohnung. Auch den Strom zum Laden kann man dabei gleich einkalkulieren – der Kunde zahlt dann einen Pauschalpreis und muss sich sonst um nichts Gedanken machen. Das würde vielen die Entscheidung erleichtern.

Sie haben es schon angesprochen – wie wirkt sich die Transformation aus?

Dudenhöffer: Ja, das fängt erst an. Im Moment sind wir noch in der ersten Welle der Transformation – die ist konjunkturell geprägt. Als Nächstes kommt die strukturelle Anpassung. Ein Blick auf die Entwicklungsbudgets zeigt, was auf uns zukommt: Die Produktion ist noch zu über 90 Prozent auf Verbrenner ausgerichtet. Aus diesen 90 Prozent müssen langfristig 0 werden. Ich gehe davon aus, dass die zweite Welle des Umbruchs ab 2025 beginnt.

Was können Unternehmen tun, um Arbeitsplätze zu sichern und Mitarbeiter auf neue Anforderungen vorzubereiten?

Dudenhöffer: Nicht die Unternehmen sind verantwortlich für Deutschland, sondern die Politik. Ich warne davor, die Erwartungen zu hoch zu schrauben. Unternehmen agieren im Markt. Sie müssen investieren, damit sie mit ihren Produkten auch in Zukunft erfolgreich sind. Wenn sie anfangen, Wirtschaftspolitik zu betreiben, kann das schnell zur Überforderung führen. Man muss ehrlich sein: Etliche Firmen werden es nicht vermeiden können, Arbeitsplätze abzubauen – zum Beispiel über Abfindungen.

Das klingt recht düster – welchen Stellenwert wird die deutsche Autoindustrie nach der Transformation haben?

Dudenhöffer: Ich weiß, ich bin manchmal etwas direkt, aber der Umstieg wird hart werden, machen wir uns nichts vor. Das Ziel allerdings ist lohnenswert. Wenn wir es zügig angehen, haben wir die Chance, eine der wichtigen Autonationen zu bleiben.Die deutschen Autobauer werden ihre Schlüsselrolle behaupten. Da bin ich mir sicher. Die Frage ist: Welche Rolle spielt Deutschland? Die Politik muss zügig die Rahmenbedingungen schaffen, damit das Auto der Zukunft seine Heimat bei uns hat. Ich kann nicht gleichzeitig mit dem Elektroauto und dem Diesel unterwegs sein. Ich muss mich entscheiden – sonst ändert sich gar nichts. Wir brauchen Vorfahrt für die E-Mobilität. Dauert das zu lange, dann werden die Elektroautos nicht in Deutschland gebaut, sondern in China – und wir müssen sie importieren. Zögerliche Politik verschärft das Jobproblem.

Vielen Dank für das Gespräch.

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