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Paradigmenwechsel im Mobilitätssektor: Ladepark statt Tankstelle

Mit dem Ziel der EU-Kommission keine neuen Verbrenner mehr ab 2035 zuzulassen, zeichnet sich das Sterben der uns bekannten Zapfsäulen ab. Der kontinuierliche Rückgang an Tankstellen in Deutschland und die stetig steigende Anzahl von Elektroautos auf den Straßen und öffentlichen Ladesäulen kündigen bereits jetzt einen Paradigmenwechsel in der Bereitstellung von Kraftstoffen an. Ein Blick in den Londoner Stadtteil Fulham zeigt, wie Ladesäulen künftig auch hier in Deutschland aussehen könnten. Dort wurde kürzlich eine gewöhnliche Shell Tankstelle auf einen rein elektrischen Ladepark umgestellt. Aber was bedeutet das für die Tankstellenbetreiber? Wird dies eine neue Möglichkeit sein, ein klimafreundliches Geschäftsmodell zu etablieren? Und wie schaut eigentlich ein Ladeerlebnis für Verbraucher aus, das genauso komfortabel ist, wie das Tanken des Verbrenners? Die Tankstellenbetreiber stehen vor der Herausforderung, den Fortbestand ihres Geschäfts zu sichern.

90 Prozent aller Fahrer wollen nach dem Umstieg auf ein Elektrofahrzeug nicht wieder zu einem Verbrenner zurückkehren. Alleine im Jahr 2021 wurden in Deutschland über 300.000 vollelektrische Pkw neu zugelassen, was einem Zuwachs von 62 Prozent gegenüber 2020 entspricht. Ähnliche Entwicklungen sind in vielen europäischen Ländern zu beobachten. Außerdem werden Elektrofahrzeuge vor allem dann geladen, wenn das Fahrzeug parkt. Das ist insbesondere zu Hause oder auf der Arbeit der Fall. Mehr als drei Viertel aller Ladevorgänge werden laut der Nationalen Leistelle Ladeinfrastruktur 2030 im privaten Umfeld erfolgen. Der Trend ist eindeutig und zeigt in eine elektrifizierte Zukunft ohne einen Bedarf an konventionellen Tankstellen.

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Können Ladestationen den CO-Fußabdruck verringern?

Während die ersten Umsteiger auf Elektroautos Personen mit Eigenheim und eigenen Ladestationen waren, wachse künftig der Anteil an Nutzer in den Städten ohne Zugang zu privaten Lademöglichkeiten. Für diese Gruppe braucht es dann nicht nur überregional, sondern generell eine öffentliche Ladeinfrastruktur. An dieser Stelle setzen Konzepte wie die umgebaute Shell Tankstelle an. Ein Ladepark bietet eine Vielzahl von Ladepunkten an, die ausschließlich zum Schnellladen von Elektroautos gedacht sind. Üblicherweise werden Schnellladegeräte mit einer Leistung von bis zu 300 kW eingesetzt, die die Batterie eines Elektroautos innerhalb von 10 Minuten auf 80 Prozent laden können. Vielerorts werden bereits einzelne Ladestationen in die bestehenden Tankstellen integriert. Dass eine Umstellung notwendig ist, haben die großen Ölkonzerne verstanden. Es drängen auch andere Anbieter in den Markt, wie zum Beispiel EnBW mit der Inbetriebnahme des größten europäischen Ladeparks in Kamen, NRW. In Zukunft wird vor allem auch dort geladen, wo Fahrzeuge ohnehin kurz geparkt werden, wie bspw. beim Einkaufen.

Seit 2015 fördert der Bund im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität den Auf- und Ausbau benötigter Ladepunkte für Elektrofahrzeuge. Bis Ende 2025 soll ein Gesamtvolumen von rund 551 Millionen Euro in die Ladeinfrastruktur fließen. Aktuell wurden dadurch bereits mehr als 13.000 Ladepunkte errichtet. Die Elektromobilität und damit auch die benötigten Ladestationen tragen aktiv zu einer Reduzierung der Emissionen im Verkehrssektor bei und haben eine Schlüsselfunktion, um bis 2050 Klimaneutralität im Verkehr zu erreichen. Ganz zu schweigen von den positiven gesundheitlichen Effekten durch reduzierte Schadstoffausstöße.

Chancen, die Ladestationen bieten

Die Vorteile, Tankstellen mit Ladestationen auszustatten, liegen auf der Hand. Durch die bereits vorhandenen Flächen und Strukturen, ist eine Umgestaltung der Tankstellen nicht nur nachhaltiger, sondern auch kostengünstiger als neue Ladeparks oder Ladestationen zu errichten. Darüber hinaus verbringen die Verbraucher durch die Ladedauer mehr Zeit an den Ladeparks, wovon der Verkauf von Speisen und Getränken auf dem Gelände profitieren kann. Außerdem bieten intelligente Energiemanagementsysteme die Möglichkeit, die Auslastung des Stromnetzes zu regulieren und Lastspitzen zu vermeiden.

Das Ladeerlebnis an einem Ladepark sollte mindestens genauso komfortabel wie das Tanken des Verbrenners sein. Das bedeutet, dass neben der Möglichkeit, Elektrofahrzeuge zu laden, die Aufenthaltszeit während des Ladens durch weitere Angebote ergänzt wird. Zusätzliche Dienstleistungen wie Cafés, Einkaufsmöglichkeiten und Sanitäranlagen, aber auch eine gute Beleuchtung im Winter, sind von fundamentaler Bedeutung für ein angenehmes Ladeerlebnis. Auf Autobahnraststätten könnte dies durch zusätzliche Getränke- und Essensangebote mit bargeldlosen Bezahlvorgänge umgesetzt werden.

Der politische Wille zum Umstieg auf die Elektromobilität ist vorhanden. Maßnahmen wie das Verbot neu zugelassener Verbrenner ab 2035 oder die umfangreichen Kaufprämien unterstreichen diesen eingeschlagenen Weg. Damit ist auch klar, dass durch den absehbaren Wegfall des Verbrenners, das aktuelle Tankstellenkonzept nicht fortbestehen kann. Dennoch wird es zukünftig einen steigenden Bedarf an öffentlichen Ladestationen geben, wenn vermehrt Nutzer in der Stadt ohne eine private Lademöglichkeit, ein Elektroauto fahren. Hier können Tankstellen in Zukunft Lösungen anbieten, in dem sie die bereits bestehenden Flächen für öffentliche Ladekonzepte umgestalten. Denn die Zukunft fährt elektrisch.

Über den Autor: Christoph Liehr ist Senior Business Development Manager DACH bei Heliox. Bereits während des Studiums sammelte er wertvolle Erfahrungen in verschiedenen Unternehmen im Bereich Elektromobilität und erneuerbare Energien. Am Frauenhofer-Institut war Christoph Teil einer Projekt-Studie zur Energie-Flexibilität und bei Whiteblue Consulting Analyst im Bereich Energie & Mobilitätskonzepte. Anschließend begleitete er bei MAN Truck & Bus internationale Kunden bei der Transformation hin zu alternativen Antrieben mit dem Fokus auf Ladeinfrastruktur. Seit September 2021 ist er bei Heliox als Senior Business Development Manager tätig und mit seinem Team für das Geschäft in der DACH Region verantwortlich.

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13.10.2022   |  

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