Einmal Aufladen bitte

Tom steigt in sein Elektroauto und fährt von seiner Wohnung zur Arbeit in Berlin-Prenzlauer Berg. Wieder mal kann er keinen Parkplatz finden und die Batterie ist fast leer.

So ist er froh, dass sein Auto eigenständig zu einer freien Ladestation in einem nah gelegenen Parkhaus fährt. Ist die Batterie aufgeladen, sucht sich das Auto einen neuen Parkplatz, um die Ladesäule nicht unnötig zu blockieren. Zugegeben, das ist noch Zukunftsmusik, aber Automobilhersteller prognostizieren, dass bereits in einigen Jahrzehnten (Elektro)-Autos fahrerlos kürzere Strecken in der Stadt zurücklegen.

Die Forscher von Fraunhofer FOKUS evaluieren mit ihrer Simulationsumgebung VSimRTI (V2X Simulation Runtime Infrastructure) die Auswirkungen neuer Elektromobilitätslösungen auf Verkehr und Umwelt. Dabei ist VSimRTI dynamisch, das heißt, dass je nach Anwendungsfall Simulatoren weggelassen oder hinzugefügt werden können. Die Erkenntnisse der Simulationen fließen in die App-Entwicklung ein, die dadurch zielgerichteter und somit auch schneller programmiert werden können, bevor sie schließlich im realen Feldtest überprüft werden. Beispielsweise entwickelten die Forscher im Projekt eMERGE eine App zur automatisierten Ladesäulenreservierung und zum intelligenten Laden. Die App wurde mit einer großflächigen Simulation getestet, die die Bundesländer Berlin und Brandenburg umfasste. 

Im Projekt eMERGE fand eine ganzheitliche Betrachtung der Elektromobilität statt, bei der die Querabhängigkeiten zwischen Fahrzeugen, Energiebetreibern, Verkehr und Fahrern berücksichtigt wurden. Von Mai 2013 bis Juni 2015 wurde die Elektromobilität von Privat- und Geschäftskunden mit 146 Smart fortwo electric drive aus Berlin, Potsdam und Nordrhein-Westfalen untersucht. Zu Beginn einer Fahrt drückte der Testfahrer auf einen Knopf der Tablet-App, die von Fraunhofer FOKUS entwickelt wurde. Er gab damit die Erlaubnis, dass sein anonymisiertes Fahrverhalten aufgezeichnet wurde. Die Daten wurden verschlüsselt zum Fraunhofer FOKUS Analyse-Backend übertragen und abgespeichert, um später von autorisierten und speziell ausgebildeten eMERGE-Partnern abgerufen und ausgewertet werden zu können.

Komplexe Simulation für die Elektromobilitätsnutzung

Abfahrtzeiten und Fahrziele wurden für eine intelligente Ladesäulenreservierung und für das gesteuerte Laden mit erneuerbarer Energie genutzt. Um die App in einem größeren Szenario und auch mit vernetzen Fahrzeugen zu testen, erstellten die Forscher vom Fraunhofer FOKUS mit Daten der Verkehrsprognosefirma PTV AG eine komplexe Simulation für die Elektromobilitätsnutzung im Jahr 2025 für Berlin und Brandenburg. Für die Simulation wurde die Simulationsumgebung VSimRTI verwendet. VSimRTI ist in der Lage, Interdependenzen vom Fahrzeug, über Energie und Verkehr bis hin zu den Nutzern zu modellieren.

Der Schwerpunkt der Simulation lag auf zwei Szenarien: Die Ladesäulenreservierung für die Nutzer von Car-Sharing und die optimale Nutzung von Windenergie für die Weitpendler in Berlin und Brandenburg. In der Simulation konnte gezeigt werden, dass die App die Suche nach freien Ladesäulen deutlich vereinfacht. Die Fahrwege von kurzen Alltagsfahrten im Schnitt von 28,7 km (ohne eMERGE) auf nur 19,8 km (mit eMERGE). Bei längeren Touristen-, Ausnahme- und Einkaufsfahrten reduziert sich der mittlere Fahrweg von 54,5 km auf 40,7 km. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Wegeinsparung von etwa 27 Prozent, was wiederum Fahrzeit und Akkuenergie spart. Zur Verbesserung der Nutzung der stark schwankenden Windenergie wurden unterschiedliche Lademöglichkeiten entwickelt, welche Spitzenlastzeiten erfolgreich
vermeiden.

Zu den Projektpartner zählten unter anderem die Daimler AG, RWE Effizienz AG und die TU Berlin. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Rahmen der „Modellregion Elektromobilität“.

Autor: Dr. Ilja Radusch
Leiter des Geschäfts­bereichs Smart Mobility
Fraunhofer-Institut FOKUS
www.fokus.fraunhofer.de

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