Das Schwerlast-Pedelc Antric Evo One bringt Ware dirket an die Haustür. Foto: Antric

Elektrische Leichtfahrzeuge: Warten auf die mobile Vernunftswende

Ist größer, schwerer, stärker wirklich die Antwort? Eine aktuelle Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt hat das Potenzial von elektrischen Leichtfahrzeugen untersucht.

Ein Gastbeitrag von Werner Köstle im aktuellen eMove360° Magazin

Dass batteriegetriebene Elektromobilität das vernünftigste Mobilitätskonzept für die nähere Zukunft darstellt, wird mittlerweile kaum mehr bestritten. Aber auch E-Pkw, die vorwiegend in der Stadt bewegt werden, werden tendenziell immer größer, schwerer, stärker. Führt das nicht in eine neue „Sackgasse“?

Dass es auch anders geht, zeigt beispielhaft der Boom der Lastenpedelcs. Besonders für Familien und Logistiker bergen sie ein großes Potenzial, das heute nicht im Ansatz ausgeschöpft wird. Aber auch andere zwei- und dreirädrige Konzepte können oft eine ideale Lösung darstellen, etwa elektrische Mopeds, Trikes und Motorräder. Und Micro-Cars, mit Höchstgeschwindigkeiten von 45 oder 90 km/h sind erstaunlich effiziente Vertreter der Individualmobilität. Bleiben noch die „echten“ E-Autos. Hier spricht etwa der Erfolg des Dacia Spring für sich. Bei den französischen (und chinesischen) Marken tut sich in dieser Richtung gerade einiges, deutsche Hersteller tun sich in diesem Segment schwer.

Die DLR-Studie

Das Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat kürzlich das Potenzial von elektrischen Leichtfahrzeugen im privaten Verkehr untersucht. Die Studie zeichnete dabei ein hypothetisches Bild für das Jahr 2030, in dem Leichtmobile ihr ganzes Potenzial ausschöpfen bei ansonsten unverändertem Mobilitätsverhalten, also einem in etwa gleichbleibenden Anteil an Individualverkehr am gesamten Verkehrsaufkommen.

Das Ergebnis: „Die Hälfte der derzeit in Deutschland mit dem Auto gefahrenen Kilometer könnte theoretisch auch mit elektrischen Leichtfahrzeugen zurückgelegt werden. Dies würde die Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu Fahrten mit konventionell angetriebenen Pkw um mehr als 40 Prozent senken. Pro Jahr wären das rund 57 Millionen Tonnen weniger Emissionen“.

Die Gründe: 80 Prozent der Fahrten sind kürzer als 20 Kilometer. Jeden Tag werden in Deutschland fast 30 Millionen Pkw-Fahrten mit weniger als zwei Kilometern und weitere 30 Millionen unter fünf Kilometern Strecke absolviert.

Entsprechend das Fazit von Laura Gebhardt, einer der Autorinnen der Studie: „Angesichts dieser Zahlen wird deutlich, dass für solch kurze Distanzen nicht unbedingt ein großer Pkw notwendig ist, sondern LEV durchaus eine Alternative darstellen. Sie ermöglichen weiterhin individuelle Mobilität, nur wesentlich nachhaltiger“. Und Simone Ehrenberger, ebenfalls Autorin, gibt ein eindrucksvolles Beispiel aus der Studie: „Mit einem elektrischen Microcar, das eine Höchstgeschwindigkeit von 125 Kilometern pro Stunde besitzt, könnte theoretisch die Hälfte der mit dem Auto gefahrenen Kilometer zurückgelegt werden… Bei der Produktion von Microcars entsteht nur rund ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen von einem Mittelklasse-Elektroauto“.

„Aktuell besetzen LEV nur eine kleine Nische auf dem Fahrzeugmarkt. Die Mittel für einen Wandel sind da, was fehlt, ist der Wille zu deren Umsetzung“, so die Studienautoren. „Damit das in der Studie aufgezeigte theoretische Potenzial von elektrischen Leichtfahrzeugen realisiert werden kann, sind unterstützende Maßnahmen notwendig – zum Beispiel, um deren Akzeptanz zu steigern. Auch Anreize für Kauf und Nutzung, regulatorische Maßnahmen, der Aufbau der notwendigen Infrastruktur sowie mehr komfortable und sichere Fahrzeugkonzepte zählen dazu“, so das Resumee.

Die „Kleinen“ proben den Aufstand

Mitunter führt ein „Ancien Regime“ zu einem Aufstand, bisweilen gar zu einer Revolution. Und Bewegung in dieser Richtung zeichnet sich tatsächlich ab: z.B. in Form der „Microcars Koalition“. Gründungsmitglieder sind Microlino, Citytransformer und Circle Mobility. Ihr erklärtes Ziel: Der Überdimensionierung bei den Fahrzeugen des Individualverkehrs den Kampf anzusagen, vor allem in Deutschland. Denn hier gibt es so gut wie keine Awareness von Fahrzeugen der Zulassungsklassen L6e und L7e. Die Initiatoren sind überzeugt, dass andere Hersteller, Verbände und sonstige Akteure der Koalition beitreten werden und dass auf diese Weise die Leichtmobile eine hörbare Stimme im Konzert des Industrielobbyismus erhalten werden.

Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich im Bereich des gewerblichen Kurzstrecken-Verkehrs ab. Hier ist es namentlich die „AllianZ Smart Urban Logistic“ (SUL), ein Zusammenschluss bzw. Netzwerk von Logistik-Experten, die anhand konkreter Beispiele aufzeigen will, wie eine urbane Logistik mit dem Einsatz adäquater Mittel funktioniert. Unter dem Motto „Klein – leicht – elektrisch“ bietet die Allianz Kommunen, Unternehmen und Regionen kostenfrei Fahrzeuge ihrer Partner Cenntro und vR Bikes sowie die Expertise von Ju-Know, PlugX und DirectCharge an, um – anders als zumeist – Konzepte ganzheitlich und dauerhaft im Alltag auszutesten.

„Es gibt ein riesiges Potenzial an drei- oder vierrädrigen elektrischen Leichtmobilen, die auf Kurzstrecken und v.a. in innerstädtischen Bereichen mit engen Platzverhältnissen genau das schaffen, was in heutiger Zeit so geboten ist: City-Logistik mit Fahrzeugen, die schnell, leise und umweltschonend fahren, kaum Platz brauchen und sich sehr schnell amortisieren“, so Franz Fabian, Deutschlandchef von vR Bikes und Mitgründer der AllianZ Smart Urban Logistic.

Forderungen an die Adresse der Politik

Sicherlich gelingt es nicht, einen Kulturwandel „von oben“ zu verordnen. Aber die Politik könnte zumindest stärkere Anreize schaffen. Bisher gibt es für Fahrzeuge der entsprechenden Zulassungsklassen nämlich keinerlei bundesweite Förderungen. Im Gegenteil: Der Umweltbonus und steuerliche Privilegien rücken E-Autos der Fahrzeugsegmente A und B preislich recht nahe an die Leichtmobile heran; dem Verbraucher wird es schwer gemacht, angesichts einer beinahe vorliegenden Preisparität sich für ein solches zu entscheiden. Kommunen wie München, die derartige Mobile von Anfang an in ihr Förderprogramm integriert haben, bilden eine Ausnahme.

Förderlich wäre zweifellos auch eine Image-Kampagne. Erstens um die Bekanntheit dieser Fahrzeuge zu steigern und zweitens um die Möglichkeiten und Chancen, die diese Fahrzeuge bieten und haben, einem weiteren Kreis von Bürgern zu vermitteln. So könnten diese womöglich eine Entwicklung nehmen, wie sie Pedelecs und Lasten-E-Bikes vorgemacht haben.

Schließlich sollten diese Bemühungen auch von infrastrukturellen Maßnahmen flankiert werden. Sei dies nun den Autos abgezwackter Verkehrsraum, störungsfreie Strecken ohne Kreuzungen oder spezielle Einfahrtsbestimmungen in den Städten.

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse des Verbandes Transport & Environment, der eine europaweite Strategie zur Förderung kleiner elektrischer Fahrzeuge fordert. Friederike Piper von T&E Deutschland: “Kleinere Elektroautos sind der größte Beitrag, den wir leisten können, um unseren Verbrauch an Batterierohstoffen zu senken. Wir sollten die Autohersteller über eine EU-Effizienznorm dazu verpflichten, endlich ressourcenschonendere vollelektrische Fahrzeuge anzubieten, die gleichzeitig erschwinglicher sind als die überdimensionierten SUVs heute“.

Denn dass die Zeit drängt, sollte inzwischen allen Politikern auf EU-, Bundes-, und kommunaler Ebene mehr als bekannt sein. Geeignete Werkzeuge für die Umsetzung sind mit dieser Studie und dem sich entwickelnden Interessenverband endlich gegeben.

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