ABT CUPRA hat 2023 seine erste Saison in der Formel E absolviert. Foto: SEAT CUPRA

eMove360° Interview E-Motorsport: “Zeit für den nächsten Schritt”

Elektromotorsport gewinnt weiter an Bedeutung. Dr. Werner Tietz, Vorstand für Forschung und Entwicklung bei der SEAT S.A., und CUPRA Motorsportchef Xavi Serra erklären  im Interview für das aktuelle eMove360° Magazin, wie wichtig E-Motorsport für die Fahrzeugentwicklung ist und welche Ziele die Challenger-Brand in den Rennserien verfolgt.

Herr Dr. Tietz, Motorsport ist ein teurer Spaß, bei dem Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis zueinander stehen – was sagen Sie zu dieser These?

Dr. Werner Tietz: Ich würde ihr vehement widersprechen. Rennfahrzeuge sind seit jeher rollende Labore für den Bereich Forschung und Entwicklung, schließlich werden sämtliche Komponenten eines Fahrzeugs am absoluten Limit getestet, unzählige Daten erhoben und haarklein analysiert. Ich könnte massenhaft Beispiele nennen, in denen ein umfangreicher Wissenstransfer vom Rennsport in die Serienfertigung stattgefunden hat.

Xavi Serra: Und ich bin davon überzeugt, dass sich mit dem Einstieg in den E-Rennsport die Wichtigkeit nochmals erhöht hat. Wir lernen jeden Tag dazu und am Ende des Tages ist die elektrische Technologie bei den Straßenfahrzeugen die gleiche wie bei den Rennwagen. Es gibt eine Batterie, einen Elektromotor und einen Wechselrichter. Die Herausforderungen, die in beiden Bereichen bestehen, sind dieselben. Im Motorsport lernen wir beispielsweise viel über das Wärmemanagement. Die Erfahrungen, die wir mit dem Elektro-Rennwagen machen, kann man auch auf Serienfahrzeuge übertragen. Daher können sie sehr nützlich für die Entwicklung sein.

Die Marke CUPRA stand schon immer für Racing – wie blicken Sie auf die vergangenen Jahre im E-Rennsport zurück?

Tietz: Es begann mit dem CUPRA e-Racer, dem ersten vollelektrischen Tourenrennwagen, den wir bereits 2018 präsentiert hatten. Es war der erste seiner Art, daher kam er zu Beginn in erster Linie bei Testfahrten und Showrennen zum Einsatz. Später wurde dann die Rennserie ETCR entwickelt.

Serra: Das war eine enorm spannende Zeit und als es 2021 losging, konnten wir endlich die Früchte unserer Arbeit ernten: In den Jahren 2021 und 2022 haben wir die Rennserie dominiert und sowohl in der Fahrer- als auch in der Teamwertung den Titel in der ETCR gewonnen.

Tietz: Das war wirklich eine fantastische Teamarbeit. Und ich betone gern: Zahlreiche Erkenntnisse aus den ETCR-Jahren sind bereits in den CUPRA Born eingeflossen und fließen auch in die Entwicklung der zukünftigen Elektromodelle ein – zum Beispiel in den CUPRA Tavascan, den wir im April in Berlin präsentiert haben und der als nächstes neues Modell auf den Markt kommen wird. Bei unserem ersten Elektro-SUV haben wir natürlich zusätzlich von der Extreme E profitiert.

Serra: Die Extreme E ist wirklich etwas ganz Besonderes: eine Offroad-Elektrorennserie an abgelegenen Orten, die vom Klimawandel betroffen sind und die in besserem Zustand verlassen werden, als sie vorgefunden wurden. Zudem besteht jedes Team aus einem Fahrer und einer Fahrerin – das ist alles sehr zeitgemäß und passt perfekt zur Marke CUPRA. Nach einem ersten Lehrjahr haben wir vorige Saison bereits tolle Erfolge gefeiert und auch in dieser Saison sind wir ordentlich dabei.

Tietz: Ich möchte bei der Extreme E auch gern betonen, dass CUPRA im September 2020 als erster Automobilhersteller seine Teilnahme an der Rennserie bekannt gegeben hatte. Wir waren von Beginn an überzeugt von dem Konzept und sind es nach wie vor.

2023 folgte schließlich der Einstieg in die Formel E – wie kam es zu dieser Entscheidung?

Tietz: Es war in unseren Augen der richtige Zeitpunkt, um den nächsten Schritt nach vorn zu machen und dem weltgrößten Wettbewerb im Elektromotorsport beizutreten. Wie auch bei der ETCR und der Extreme E sind wir hier mit unserem engen Partner ABT Sportsline am Start. Mit dem Beitritt zur Formel E unterstreichen wir unsere Ambition, eine global relevante Marke zu werden. Ich zitiere hier gern unseren CEO Wayne Griffiths: Wir wollen die Welt von Barcelona aus inspirieren.

Der Start verlief allerdings etwas ernüchternd …

Serra: Wir hatten aufgrund unseres späten Einstiegs einige Wochen Entwicklungsrückstand im Vergleich zu den anderen Teams. Zudem haben sie zum Großteil schon viele Jahre Erfahrung in der Formel E. Klar, ABT Sportsline war in der Vergangenheit auch schon in der Rennserie aktiv, aber die Entwicklung der vergangenen Jahre war enorm. Wir haben in den ersten Wochen und Monaten unglaublich viel gelernt, konnten den Abstand zu den Spitzenteams im Laufe des Jahres aber immer weiter verringern. Beim sechsten Platz von Nico Müller in Rom Mitte Juli und auch bei seinem achten Platz im letzten Saisonlauf in London haben wir gezeigt, dass wir mithalten können.

Erst ETCR, dann Extreme E, jetzt Formel E – ist das „E“ die Zukunft des Motorsports?

Serra: Die Zukunft im Motorsport ist definitiv elektrisch – und wir sind mit CUPRA auf vielseitige Weise von Beginn an dabei. Allerdings wird es eine Übergangsphase wie auch bei der Elektrifizierung der Serienfahrzeuge auf unseren Straßen geben. Wie lange diese dauert, ist schwer zu sagen. Klar ist aber: Die Elektrifizierung im Motorsport muss kommen. CUPRA hat sich verpflichtet, sie mit der eigenen Modellpalette konsequent voranzutreiben, und wir leisten hier auf vielen Ebenen einen großen Beitrag. Es ist nur eine Frage der Zeit.

Tietz: Ich kann Xavi da nur beipflichten. Zumal wir mit dem CUPRA UrbanRebel Konzeptfahrzeug, dem Vorläufer des zukünftigen CUPRA Raval, bereits gezeigt haben, wohin die Reise geht: Das Fahrzeug ist ein mutiges Statement der Marke, dass Elektrifizierung nicht langweilig ist. Das Modell liefert eine beeindruckende Dauerleistung von 250 kW und eine Spitzenleistung von 320 kW.

Serra: Der UrbanRebel ist im Grunde genommen eher ein Rallye- oder Rallycross-Auto – und hat einen hohen Spaßfaktor. Er ist zum Beispiel auch sehr gut auf Asphalt, Schnee oder Schotter unterwegs. Generell ist er ein großer Teil der markeneigenen Zukunft von CUPRA. Wir glauben, dass eine Menge in ihm steckt.

Tietz: Absolut, ich durfte das Concept Car schon ein paarmal fahren und kann nur sagen, dass es einfach riesengroßen Spaß macht. Durch seine einzigartige Fahrwerks- und Lenkungsabstimmung bietet es ein hochpräzises Handling, das auch als Inspiration für die künftige Straßenversion dienen wird. Und da sind wir wieder beim Thema: Motorsport und der Transfer in die Serie sind ein wichtiger Aspekt in unserer Fahrzeugentwicklung.

Vielen Dank für das Gespräch.

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23.01.2024   |  

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