Bestes Radfahrkino: Wind, Wellen und monumentale Berge in der False Bay. Foto: Norbert Eisele-Hein.

eMove360° Reisetipp: Wein und Wildlife – mit dem Elektrobike unterwegs auf Südafrikas Garden Route

Die Kap-Region mit dem Weinland, dazu die Route 62 durch die wüstenhafte Kleine Karoo und sogar noch die Garden-Route durch das Tsitsikamma-Gebirge mit elektrischem Rückenwind abstrampeln… klappt das? Ja, sehr gut sogar.

Unser Gastautor Norbert Eisele-Hein hat es für die Leser des aktuellen eMove360° Magazins  ausprobiert.

Wie im Daumenkino wischen blühende Ginsterbüsche und zerzauste Kiefern an uns vorbei. Über Tausend weitere Arten des Fynbos, jenes üppig wuchernden Pflanzenteppichs und das Salzwasser, welches mit monströsen Brechern an den zerklüfteten Küstensaum schlägt, sorgen für einen betörenden Duft. Eine Horde Paviane blickt uns erstaunt hinterher. Sie können natürlich nicht wissen, dass wir nur auf den Turboknopf drücken müssen, um mit unseren verstromten Boliden den schier immerwährenden Winden am Kap locker Paroli zu bieten. “Cabo das Tormentas, Kap der Stürme taufte der portugiesische Seefahrer Bartholomeu Diaz diese Landzunge, nachdem er dort im April 1488 in schwerer See beinahe Schiffbruch erlitt. König Johann II taufte es später auf Kap der Guten Hoffnung, weil er sich von der Entdeckung des neuen Seewegs nach Indien florierende Geschäfte erhoffte, referiert unser staatlich-geprüfter Guide Thomas Mücke aus dem Nähkästchen. Der Deutsche lebt seit bald 25 Jahren in Kapstadt und verfügt über eine beachtliche Landeskenntnis. Wow, für uns ist das knapp 8000 ha große “Cape of Good Hope Nature Reserve” in erster Linie mal ein großartiges Radrevier. Euphorisch tingeln wir die Bilderbuchstrände von Olifantsbos, McLear und Diaz ab. Natürlich machen wir auch unser “Wir-waren-hier-Bildchen” an der Südspitze, wo es zugeht wie am Jahrmarkt. Aber mit unseren Rädern sind wir im Nu wieder für uns. Können fernab des Trubels ein opulentes Picknick am Strand genießen. Sogar völlig ungestört im Gezeitenpool baden, während draußen Kiteboarder ihre waghalsigen Kunststücke darbieten. Einzig die Paviane gilt es zu beachten. Die ausgebufften Partybreaker haben keinen Sinn für Tischsitten und klauen hemmungslos, was sie kriegen können.

Aber alles der Reihe nach. Die gesamte Strecke von Kapstadt über die komplette Garden Route bis zum Addo Elephant National Park betrüge annähernd 1000 Kilometer. Im Rahmen einer zwölftägigen Reise mit zahlreichen Besichtigungen, zusätzlichen Wanderungen, Bootstour und obendrein noch einer Safari, wäre das selbst für einen gedopten Lance Armstrong eine sportliche Herausforderung.

Zum Glück zielt der Reiseveranstalter Belvelo gar nicht erst auf so eine “Tortour” de France, mit brennenden Schenkeln und stetem Blick auf die Pulsuhr. Nein, bei dieser Reise steht der pure Radgenuss im Vordergrund. Und das geht so: auf den verkehrsreichen Hauptstraßen, die für Radfahrer ohnehin zu gefährlich wären, machen wir mit dem Begleitfahrzeug ordentlich Meile. So bleibt uns auf den handverlesenen, wunderbar verkehrsarmen Nebenstrecken reichlich Zeit für Land und Leute. Kurzum, wir picken uns nur die Rosinen zum Radeln raus.

Darum treten wir nach einem langen Nachtflug auch nicht gleich wie wild in die Pedale.  Kapstadt – einer der schönsten Städte der Welt gleich den Rücken kehren. Das wäre ein Frevel. Darum bummeln wir zur Akklimatisation erstmal durch das kunterbunte Bo Kaap-Viertel. Schlendern die Waterfront entlang und haben freie Zeit für das Zeitz-Mocaa-Museum. Abends vertiefen wir unsere Vorstellungsrunde im Bombay Bicycle Club, einem angesagten und kongenial zu unserem Vorhaben passenden Restaurant unterhalb des Kloof Necks, unweit von unserem gemütlichen Guesthouse Rosedene. Nach dem ersten Glas Rotwein wird es amtlich. Unsere illustren Gespräche drehen sich nicht um Höhenmeter und Stundenschnitte, sondern um Kultur, die bevorstehende Tour auf den Tafelberg und natürlich die Tierwelt, die uns entlang unserer Route erwartet. Diese Truppe ist genussorientiert unterwegs. Gut so.

Tafelberg und Township

Gleich am nächsten Morgen genießen wir schon erstklassige Blicke aus der Panoramagondel auf Kapstadt und das Tiefblau des Atlantischen Ozeans, als sich an der Kasse lange Schlangen formieren. “Gut, dass wir etwas früher am Start sind, somit sparen wir enorm viel Zeit für unsere Tour in Langa”, erklärt Thomas augenzwinkernd. Nach einer ausgedehnten Gipfelrunde schweben wir mit dem Blick auf die Waterfront und Robben Island wieder talwärts. Unser Tourbus bringt uns nach Langa. In dem riesigen Township schwingen wir uns zum ersten Mal in die Sättel. Aber es ist mehr ein Stop and Go, weil dieses gut 50.000 Leute beherbergende Armenviertel an jeder Ecke unglaubliche Geschichten für uns bereithält. Permanent schwierige Fragen aufwirft. Unser zusätzlicher Township-Guide Nathi zeigt uns alternative Werkstätten, Pubs mit selbstgebrautem Bier aus der Chemietonne, Graffities mit komplexen politischen Botschaften, aber auch die desolate Kanalisation. Der Kontrast zu den superreichen Vierteln Camps Bay oder Clifton erzeugt ein Wechselbad der Gefühle. Beim Mittagessen kommen wir auch mit älteren Bewohnern, die das grausame Apartheidsregime noch miterlebt haben, ins Gespräch. “Es ist schon viel erreicht worden”, erklärt uns der Zeitzeuge Vuthi, “jetzt ruhen unsere Hoffnungen auf Cyril Ramaphosa”. Doch etliche bezweifeln, ob der Korruption im Staatsapparat je Einhalt geboten werden kann.

Kirstenbosch und Kap der guten Hoffnung

Tags darauf schippert uns Eben, unser Fahrer, mit dem Tourbus und dem großen Radanhänger zum Botanischen Garten von Kirstenbosch. Guide Thomas glänzt erneut mit umfassendem Wissen zu den fast salatkopfgroßen Proteen.  Der Canopy Tree Walk, ein Wanderpfad in luftiger Höhe durch die atemberaubende Pflanzenpracht lässt uns alle ehrfurchtsvoll staunen. Ein erneuter Hüpfer mit dem Tourbus und endlich dürfen wir uns wie eingangs erwähnt am Kap auf die Stahlrösser schwingen.

Für die nächste Etappe chauffiert uns der Tourbus auf die andere Seite des Kaps, genauer gesagt nach Kleinmond im Süden der False Bay. Mit frisch befülltem Akku touren wir um das Kogelberg Biosphere Reservat. Der Blick in die immergrüne Berglandschaft erinnert uns an die schottischen Highlands. Doch weit gefehlt. Kaum 15 Kilometer weiter westlich tummelt sich bei Betty’s Bay am Stony Point eine riesige Kolonie Brillenpinguine auf markanten Granitbrocken. „Viele der Frackträger befinden sich gerade in der Mauser“, erklärt Thomas und zeigt uns etliche arg zerzauste Gesellen. Wild windet sich die kaum befahrene R 44 an der Steilküste entlang. Die rauschende Abfahrt nach Blousteen eröffnet uns grandiose Tiefblicke auf zauberhafte Strände mit gewaltig Einblick in die maritime Fülle Südafrikas. Robben jagen zwischen armdickem Kelb nach Fischen. Bottlenose-Delfine surfen ausgelassen in der Brandung. Unten angekommen scannt ein “Shark-Spotter” mit einem riesigen Fernglas die Küste ab. Die letzte Sichtung war vor zwei Tagen und die schwarze Flagge signalisiert obendrein schlechte Sichtbedingungen. Doch die Surfer ficht das nicht an, sie tänzeln weit draußen auf den elegisch blauen Wellen. Ihnen scheint der Weiße Hai egal zu sein. Rein statistisch betrachtet passiert ja auch nicht viel. Keine zwei Kurven weiter überrascht uns Eben wieder mit einem leckeren Picknick direkt am Strand. Gepfiffen auf den Weißen Hai – natürlich hüpfen wir auch mal in die Fluten, bleiben aber hübsch am Rand. Die elf Teilnehmer von der Waterkant, Berlin, München bis in den äußersten Südwesten bei Freiburg sind sich einig: auch diese 50 Kilometer und 600 Höhenmeter verdienen die Bestnote. Das Wechselspiel aus Radfahren und Transfers beschert uns einen wesentlich tieferen, sinnlicheren Erlebnishorizont.  Mit den leistungsstarken E-Bikes muss sich keiner verausgaben und dank Thomas, Eben und seinem Tourbus haben wir trotzdem einen enormen Aktionsradius.  Wird der Akku schwach, fährt einer mal einen Platten. Thomas und Eben sind sofort mit Ersatzakku oder Rad zur Stelle. Zur Krönung dieser Etappe kurbelt uns Eben im direkten Anschluss nach Stellenbosch zur Weinprobe.

Nach der inneren Anwendung am Vorabend folgt eine hügelige Schleife durch das Weinland. Auf ausgeklügelten Winzerpfaden, die wir allein niemals finden würden, pedalieren wir knappe 30 Kilometer durch die feinsten Anbaulagen Südafrikas. Zirkeln vom Weingut L’Avenir zwischen Merlot und Cabernet Sauvignon über eine schier endlos mit Weinstöcken veredelte Kulturlandschaft. Die abschließende City-Bike-Runde durch die Universitätsstadt Stellenbosch ist ein architektonischer Leckerbissen. Chice Cafés, teure Boutiquen und vor allem die weiß-getünchten Prachtbauten im kap-holländischen und victorianischen Stil zeugen von Generationen übergreifender wirtschaftlicher Prosperität.

Ein Loblied auf die starken Akkus

Ein gewaltiger Satz mit unserem Tourbus bringt uns auf der stark befahrenen N 2 nach Swellendam. „Thomas Bain, das südafrikanische Genie des Straßenbaus, realisierte zeitlebens sage und schreibe 24 Passstraßen im südlichen Afrika. Er zeichnet auch für den vor uns liegenden Tradouws Pass über die Langeberg Mountains verantwortlich. Die Panoramaschleifen sind zwar gemach angelegt, aber bis hinauf nach Barrydale sind es doch 35 Kilometer und 550 Höhenmeter“, erklärt Thomas Mücke die nächste Etappe. Mit jeder Haarnadelkurve schrauben wir uns erneut in einen völlig neuen, von tiefen Schluchten durchfurchten Landschaftstyp. In Barrydale, einem illustren Örtchen mit einer enormen Vielfalt an schrägen Kneipen legen wir erstmal die Beine hoch und singen ein Loblied auf die starken Akkus, die uns auf  dieser kapitalen Rampe unterstützt haben. Fortan fräst sich die Hauptstraße schnurstracks durch die Kleine Karoo, eine von Gebirgen flankierte Halbwüste. Nach Bergwertung und üppiger Mahlzeit helfen auch die launigen Kommentare von Thomas nicht mehr. Bis nach Oudtshoorn legen die meisten Teilnehmer ein ausgiebiges Nickerchen ein.

Die folgende Etappe am nächsten Morgen entschärfen wir von vorneherein. Eden bringt uns mit dem Bus hinauf zur riesigen Kango-Tropfsteinhöhle und somit bleibt uns nach der Besichtigung noch ausreichend Zeit für den Besuch einer Straußenfarm.

Plettenberg: Wandern statt Radeln

Am nächsten Tag chauffiert uns Eben über Knysna auf der Garden Route nach Plettenberg. Dort gönnen wir den Rädern eine Pause. Starten ohne Akku zu einer höchst lohnenden Wanderung auf der Robberg-Halbinsel. Der Trail führt über Sand und Felsen rings um einen paradiesisch-schönen Inselappendix. Kapohrenrobben und Delfine spielen sich in der Brandung. Quietschbunte Agamen – etwas größere Eidechsen – sonnen sich auf den exponierten Felsen. Möwen brüten direkt an den Holzbohlen-Passagen. Austernfischer mit knallroten Schnäbeln begutachten uns argwöhnisch. Die 2,5 Stunden-Runde tangiert auch geradezu abenteuerliche Badestrände. Aber hier warnen Schilder eindrücklich: “Freak Waves” und “Rip Curls” können selbst gute Schwimmer blitzschnell in tödliche Gefahr bringen. „Wer weiter rausschwimmt, riskiert im Nu sein Leben“, bestätigt auch Thomas.

Addo Elephant Nationalpark: Tierisches Finale

Von “Plett” ist es nur noch ein Katzensprung mit unserem Tourmobil zum nahen Tsitsikamma National Park. Der wurde bereits 1964 als erster Meeres-Naturschutzpark Südafrikas gegründet und reicht mittlerweile auch tief in den afromontanen Küstenwald. Die alte Passstraße R102, natürlich von Thomas Bain erbaut, führt uns alternativ zum höchst frequentierten Highway N 2 durch das Tal von Bloukrans. Die Straße ist mittlerweile für Autos gesperrt, weil der dichte Urwald, den wir bei der Photosynthese fast schon schmatzen hören, allmählich das Asphaltband zurückerobert. Die 52 Kilometer lange, fast schon aberwitzig-geschlängelte Dschungelschleife bis zum Storms River Mouth Restcamp ist ein Leckerbissen für Radfahrer. Dort schlagen die Wellen derart wuchtig an die Felsküste, dass sich in der bestimmt 15 Meter hohen Gischt zauberhafte Regenbögen formieren. Ein gewaltiges Schauspiel, das uns darüber hinwegtröstet, dass Eben nach knapp 300 Kilometern im Sattel, unsere Stromräder ein letztes Mal auf dem Hänger verstaut. Doch kein Grund zum Katzenjammer. Die letzte Etappe führt uns vorbei an Port Elizabeth zur Dungbeetle-Lodge außerhalb des Addo Elephant National Park. Vom Haussteg bringt uns ein Boot auf dem Sundays-River zum Alexandria Dune Field. Abermals wechselt die Landschaft abrupt. Über die ausgedehnten saharaähnlichen Sanddünen reicht der Blick zum saphirblau-funkelnden Indischen Ozean.

Zum Finale tuckern wir mit einem Safarijeep durch den Addo Elephant Nationalpark. Bestaunen Hunderte Elefanten und sogar Elefantenbabies beim Plantschen im Schlamm. Entdecken Nashörner, Büffel und sogar Löwen – nur der Leopard fehlt uns am Ende zu den Big Five… ein guter Grund wiederzukehren. Und gerne wieder mit dem Fahrrad.

Tourbeschreibung: Von Kapstadt über einige der wohl schönsten Panoramastrecken der Welt zum Kap der guten Hoffnung, zu historischen Weingütern bei Stellenbosch, durch die wüstenhafte Kleine Karoo und entlang der Garden Route zu den Wildparks am Eastern Cape. Jede Menge tierische Begegnungen mit Pinguinen, Elefanten und Co. inclusive. Handverlesene Radetappen auf sehr guten Straßenverhältnissen machen die Tour zudem komplett familientauglich. Erstklassige Lodges und gehobene Kulinarik – eine Traumroute für Genießer.

Veranstalter: Belvelo, Kurfürstenstraße 112, 10787 Berlin, Tel. 030 786 000 124, www.belvelo.de, ab 4890 Euro incl. Flug, Guide, Leihrad, HP, Eintritte und Parkgebühren. Übernachtet wird in mittleren und gehobenen Guesthouses, B&B’s, Lodges. Sehr stimmiges Angebot für genussorientierte Radfahrer aller Kragenweiten. Die hochwertigen Elektroräder machen etwaige Leistungsunterschiede wett, weil sie in mehreren Stufen Unterstützung bieten.

Beste Jahreszeit: November bis April, am Kap herrschen häufig Temperaturen jenseits der 30 Grad, aber auch hier sind auf Grund wechselnder Winde Temperaturgefälle an der Tagesordnung.

Allgemeine Informationen: South African Tourism, www.southafrica.net/de/de/travel, gratis Download von Landkarte und Reiseführer.

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19.01.2024   |  

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