Interview: „Subventionen sind kein Allheilmittel“

Im Interview äußert sich Karim Bortal, Leiter Strategy, Innovation & Business Development bei Altran, einem der weltweit führenden Beratungsunternehmen für Innovation und High-Tech-Engineering-Services, über Subventionen von Elektroautos, zu neuen Geschäftsmodellen in diesem Bereich sowie zur Zukunft der Mobilität.

Herr Bortal, die Debatte um die Subventionierung von Elektroautos ist entschieden. Ab 1. Juli sollen private Käufer eine Prämie von 4.000 Euro erhalten. Ist diese Entscheidung der Regierung der richtige Schritt in Richtung Elektromobilitätsdurchbruch in Deutschland?

Karim Bortal: Die Sinnhaftigkeit von Subventionen war seit Monaten die Gretchenfrage rund um das Thema Elektromobilität – politisch und medial. Den Kunden hat es nicht richtig interessiert. Die Entscheidung der Regierung macht noch einmal deutlich, dass die Mobilitätswende auch politisch gewollt ist, ist jedoch keine Top-Priorität. Gleichzeitig werden die Hersteller mit in die Pflicht genommen, indem Sie 50 Prozent der Prämie eigenständig tragen müssen. Dieser Anteil soll teilweise durch die höhere verkaufte Stückzahl kompensiert. Das heißt, de facto, zahlen die Hersteller weniger drauf, je mehr Kunden Elektrofahrzeuge kaufen. Das Prämienpaket ist somit dynamisch, ein Kompromiss.

Wie wird sich dieser Kompromiss in den Verkaufszahlen niederschlagen?

Bortal: Ich bin mir sicher, dass die Absatzzahlen im Sommer langsam aber stetig anziehen werden. Wer mit dem Gedanken spielt, sich ein elektrisches Fahrzeug anzuschaffen, hat natürlich auf eine Entscheidung in der Subventionsfrage gewartet. Diese Interessenten werden nun ein solches Fahrzeug kaufen. Ein Blick in unsere Nachbarländer dämpft die Erwartung jedoch. Franzosen, die ihr altes Fahrzeug gegen ein E-Auto tauschen, können Subventionen von bis zu 10.000 Euro erhalten. Bis heute wurden ca. 26.000 Elektroautos und 130.000 Hybride in Deutschland zugelassen. Allerdings muss man diese Zahlen in Relation zu den 45 Millionen zugelassenen Autos mit Verbrennungsmotor betrachten. Dabei wird eines klar: Die Subventionen sind kein Allheilmittel. Die proklamierte „Million bis 2020“ rückt kaum näher. Attraktiv ist das Angebot vor allem für wohlsituierte Nutzer, die ein Zweit- oder Drittfahrzeug anschaffen möchten. Eine Massenerscheinung auf deutschen Straßen werden Elektroautos so in naher Zukunft also keinesfalls.

Die 4.000 Euro sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Bortal: Naja – die Subventionen soll ja als Initialzündung dienen, das ist gewollt, einige aber in Summe kleine unentschlossene Anzahl von Käufer möglicherweise überzeugen wird. Aber jeder Autofahrer muss sich fragen: Sind diese Zuschüsse für mich das Zünglein an der Waage? Ich sage ihnen, NEIN. Viele Kunden werden den Verbrenner vorziehen – Elektroautos sind nach wie vor zu teuer und aufgrund der Reichweiten- und Ladezeitenproblematik schlicht zu unpraktisch. Diese Probleme können auch Hilfszahlungen nicht aus der Welt schaffen.

Mit geplanten 15.000 Ladestationen und zusätzlichen Mitteln im Bereich Batterieforschung sollen die bestehenden Probleme angegangen werden. Ist dieser Weg richtig?

Bortal: Bei Subventionen stellt sich immer die Frage der Nachhaltigkeit. Allerdings braucht es einen Fingerzeig. Bislang war der Motor das Herzstück des Automobils. Dies wandelt sich nun. Software wird immer bedeutender. Deutsche Autobauer haben die Batterieforschung verwaisen lassen und müssen dringend aufholen. Insbesondere, weil die der staatlich geförderte Aufbau der Ladeinfrastruktur durchbricht die „Henne-Ei-Problematik“. Ohne eine große Elektroflotte will niemand in Ladestationen investieren – ohne Ladestationen bleiben die Elektroautos Ladenhüter.

Unternehmen suchen nach neuen Geschäftsmodellen rund um die Elektromobilität. BMW und Daimler haben Kooperationen mit Unternehmen aus der Energiebranche geschlossen? Wie ist diese Art von Kooperationen einzuordnen? Sind sie ein wegweisender Schritt?

Bortal: Schauen Sie, die noch wahrgenommene Aufteilung der Industrielandschaft in zum Beispiel Automobil, Infrastruktur, Telekommunikation, Unterhaltung, Energie, Finanzen, usw… verändert zu einer in sich vernetzte „alles-Industrie“, die sogenannte Industrie 4.0. Was mit der Digitalisierung der Telekommunikation vor ca. 20 Jahren und die dadurch entstandenen Technologien wie das Internet, und die Mobile Telekommunikation überrollen beinahe die komplette Industrielandschaft. Jeder ist mit jedem und alles ist mit allem vernetzt. Die dadurch erstandenen Daten, werden als Basis neuer Geschäftsmodelle. Auch die Mobilität der Zukunft wird gänzlich anders aussehen als heute. Und Geld wird immer mehr durch Dienstleistungen verdienst und immer mehr durch die Verwertung der Daten. BMW experimentiert mit neuen Ideen und Geschäftsmodellen um weitere 100 Jahre zu bestehen. Praktisch wird die neue Organisationsstruktur dieses Ziel immer mehr untergeordnet. AUDI will in den nächsten fünf Jahren, 50 Prozent der Umsätze über Dienstleistungen rund um die Mobilität und weitere Dienste erzielen. Daimler will auch bei der Digitalisierung führend sein. So hat sich Daimler vom führenden Automobilunternehmen inzwischen immer mehr zum Mobilitätsanbieter entwickelt.

Die Hardware Auto wird modular gebaut und Funktionen dazu gekauft oder upgedatet.

Auch das Recycling der Hardware wie die ausgediente Batterien aus Elektroautos werden von BMW und Daimler mithilfe von Partnerunternehmen zu stationären Batteriespeichern zusammengeschlossen und tragen so einen kleinen Beitrag zum Gelingen der Energiewende bei. Also wieder neue Geschäftsmodelle in einer aus Sicht der Automobilbauer neuen Welt der Energiewirtschaft. Der Akku, also das Herzstück der Elektromobilität, wird durch Forschungs- und Entwicklungsarbeit seit längerer Zeit optimiert. In zwei Jahren könnten die heutigen Lithium-Ionen-Batterien von einer neuen, leistungsfähigeren Generation abgelöst werden. Essentiell sind aber auch ökonomische Konzepte rund um den Akku. Es braucht Batteriestores, in denen Kunden Akkus kaufen, leasen, entsorgen oder auch tauschen können. Da es sich beim Akku um ein Verschleißteil handelt, benötigen Kunden die beschriebenen Stores als wichtige Anlaufstelle für die bestmögliche Nutzung ihres Fahrzeugs.

Wie sieht Ihrer Meinung nach Mobilität in zehn Jahren aus?

Bortal: Also ich habe schon vor Jahren die Einsicht vertreten, dass der geographischer Raum für Mobilität wird sich in zwei Hauptkategorien aufteilen. Fern und Urban. Im urbanen Bereich werden wir zeitnah sogenannte Mobilitätsprovider erleben. Unternehmen, die Pendlern und Passanten abgestimmte Mobilitätspakete anbieten. Wie bei der Telekommunikation, werden Pakete je nach „User“ Bedarf angeboten. Zum Beispiel, U-Bahnfahrten, festgelegte Zugrouten, aber auch bestimmte Zeitkapazitäten für städtische Carsharing-Fahrzeuge enthalten. Dabei ist das Energieladen nicht mehr wichtig. Geld wird eben woanders verdienstWeitere Tarife, könnten zum Beispiel, der Lieferservice für die wöchentlichen Einkauftouren beinhalten. Also Online-Einkauf wird ebenso mit einbezogen.

Das private Automobil wird in den großen Städten mehr und mehr verschwinden. Intermodale Konzepte, die Sharing-Angebote über sämtliche Verkehrsmittel anbieten, treten dann an ihre Stelle. Amsterdam will bis 2025 alle Verbrennerautos aus der Stadt verbannen. Hier sind natürlich Lösungen für die letzte Meile gefragt. An all diese Themen arbeiten wir sehr intensiv und entwickelt für und mit unseren Partnern Lösungen. In einem solchen urbanen Kontext können E-Autos ihre Stärken ideal ausspielen Sie verursachen lokal keine Feinstaub- und CO2-Emissionen und sind geräuscharm unterwegs. Neue Konzepte wie diese bieten Unternehmen große Chancen, zu Playern im Mobilitätsmarkt der Zukunft zu werden.

Die Deutsche Bahn hat erst kürzlich ein Pilotprojekt gestartet: In Berlin kann das Elektroauto zur Bahnfahrt hinzugebucht werden, um auch am Zielort mobil unterwegs sein zu können. Innovative Lösungen sind weit wichtiger als die Debatte um staatliche Zuschüsse.

Die in sich vernetzte „alles-Industrie“, kann nur gelingen, wenn zusätzlich zum einen Unternehmen sich rund um die neuen und strategischen Technologien neu organisieren und zum anderen untereinander kooperieren. Diejenigen die es nicht sehr schnell schaffen, gehen unter. Ich gebe den klassischen Autobauer max. 10 Jahre Zeit um sich neu zu erfinden. Mehr nicht. Eine der faszinierendsten Entwicklung der Industriegeschichte.

Vielen Dank für das Interview, Herr Bortal.

www.altran.de

Please follow and like us:

Das könnte Sie auch interessieren