Lilium: COO Dr. Remo Gerber über regionale Mobilität mit Elektro-Kleinflugzeugen

Von vier auf 500

Fünf Jahre ist es her, dass die vier visionären Ingenieure Daniel Wiegand (CEO), Sebastian Born, Matthias Meiner und Patrick Nathen das Luftfahrtunternehmen Lilium gegründet haben. Vor vier Jahren nahm Daniel Wiegand stellvertretend für das Viererteam in der Glyptothek am Königsplatz in München unter dem begeisterten Applaus von mehr als 100 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft den Special-Award für den Lilium-Jet entgegen – das erste vollelektrisch betriebene, vertikal startende und landende Flugzeug.

Auf die Frage, wie es dem Unternehmen seither ergangen ist, erklärt CEO und Co-Founder Daniel Wiegand stolz: “Das kontinuierliche Wachstum von Lilium ist eindrucksvoll. In etwas mehr als fünf Jahren haben wir uns von vier Mitbegründern zu einem Team von über 500 talentierten und enthusiastischen ‘Lilians’ entwickelt, die Erfahrungen aus einer Vielzahl von technologisch führenden Organisationen von SpaceX und Rolls-Royce bis hin zu Formel-1Teams und der NASA mitbringen.”

In weiteren fünf Jahren möchte Lilium ein erstes Netz aus Elektro-Kleinflugzeugen gestartet haben, die von sogenannten Vertiporten vertikal starten und landen – sogar direkt in Innenstädten. Erst vor wenigen Wochen ist Baillie Gifford als Investor bei Lilium. Mit der Einlage von Teslas größtem Aktionär sind die Gesamtinvestitionen bei Lilium auf insgesamt über 375 Millionen Dollar gestiegen. Damit zählt Lilium zu den 20 wertvollsten Start-ups in Deutschland.

Wie Lilium regionale Mobilität für alle zum Preis eines Nahverkehrstickets erster Klasse schaffen möchte, erklärt Lilium-COO Dr. Remo Gerber.

Wie darf man sich den vollelektrischen Lilium-Jet vorstellen? Als futuristisches fliegendes Auto, das durch eine Stadt hüpft, vielleicht von einem Garten abhebt, bevor es in den örtlichen Geschäften anhält und die Kinder dann in die Schule bringt?

Dr. Remo Gerber: Das ist die Vorstellung, die in den meisten Köpfen zum Thema „städtische Luftmobilität“ spukt. Aber: Ein kurzer Sprung von Lower Manhattan zur Grand Central Station in New York oder vom Englischen Garten in München zum Hauptbahnhof ist nicht nur unpraktisch (Sie würden Hunderte von Landeplätzen in einer Stadt benötigen), sondern auch nicht einmal zeitsparend mit An- und Abreise und Einchecken am Vertiport, dem Start- und Landeplatz. Welches Ziel verfolgt Lilium? Gerber: Es geht nicht ums Hüpfen von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer. Wir wollen regionale Mobilität für alle schaffen – zum Preis eines Nahverkehrstickets erster Klasse. Mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometer können wir uns darauf konzentrieren, ganze Regionen mit Hochgeschwindigkeitstransporten zu verbinden, anstatt Sie davon zu überzeugen, dass wir schneller sind als eine Fahrt mit einer U-Bahn oder einem Fahrrad. Entgegen der Vorstellung von „städtischen Lufttaxis“ glauben wir, dass es in unserem Netz immer nur eine Handvoll Strecken geben wird, die kürzer als 20 Kilometer sind.

Das klingt überraschend. Haben Sie ein Beispiel für uns?

Gerber: Nehmen wir die Schweiz. Sie ist mit einer hervorragenden Verkehrsanbindung, einer pünktlichen Zugverbindung und zahlreichen reizvollen Ausflugszielen gesegnet. Und doch dauert es trotz erstklassiger Infrastruktur erheblich länger als erwartet, um diese Ziele von meiner Heimatstadt Zürich aus zu erreichen. Wenn ich mit dem vollelektrischen Lilium Jet reisen würde, könnten ich und andere in Zürich diese Reisen erheblich schneller und zu einem Preis absolvieren, der mit einem erstklassigen Bahnticket beim Start vergleichbar und einige Jahre nach Inbetriebnahme günstiger wäre.

Welche Vorteile gibt es noch?

Gerber: Da für einen Flugmobilitätsdienst keine teure Infrastruktur wie Straßen oder Schienen erforderlich ist, können wir schnell ein Verbindungsnetz mit Hunderten, wenn nicht Tausenden von Routenoptionen erstellen, das Großstädte miteinander verbindet. Bessere Landnutzung und besserer Zugang zu Industrie, Kultur und natürlich zur Natur.

Was bedeutet das konkret?Gerber: Ein System mit nur 20 Landeplätzen würde rund 200 potenzielle Routen und 10.000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsverbindung schaffen (unter der Annahme einer Entfernung von 50 km zwischen den Standorten). Das ist das Dreifache des gesamten französischen Hochgeschwindigkeits-TGV-Schienennetzes zu einem Bruchteil der Kosten. Und da wir keine Gleise bauen müssen, die leicht mehr als 20 Mio. USD pro Kilometer kosten, können wir auch kleinere Gemeinden verbinden und die Verbindungshäufigkeit an die Nachfrage anpassen.

Wie lange dauert es, ein solches Netz an Flugverbindungen aufzubauen?

Gerber: Durch die Anpassung der vorhandenen Infrastruktur wie Flughäfen, Hubschrauberlandeplätze oder sogar des Daches eines Parkhauses besteht die echte Möglichkeit, in weniger als fünf Jahren ein Netzwerk zu implementieren.

Soll es nur Flugverbindungen zwischen Großstädten geben?

Gerber: Wir möchten ein regionales Netzwerk schaffen, das kleinere Städte miteinander verbindet und unsere stark überlasteten Städte entlastet, indem wir durch verteiltes Wachstum Milliarden von Dollar an Landwert freisetzen und damit unsere Lebensweise verbessern.

Gibt es schon Anhaltspunkte zu den Kosten für einen Vertiport?

Gerber: Ein solcher Flugplatz kostet etwa 10 Millionen USD und bräuchte bei einer Jahreskapazität von einer bis 1,5 Millionen Passagieren 5000 Quadratmeter Platz. Übrigens: Nach einem beispielsweise 100-Kilometer-Flug (statt der 300 Kilometer möglichen) genügt für das Aufladen des Lilium-Jets die Ein- und Aussteigezeit der Passagiere.

Welche Standorte sind für Vertiports geeignet?

Gerber: Ein Vertiport braucht wenig Platz, kann auf einem Parkhaus oder einem Bahnhof integriert werden. Oder beispielsweise in der Nähe einer Bushaltestelle im Umfeld eines Flughafens. In vielen Fällen könnten wir die vorhandene Infrastruktur an kleineren regionalen Flughäfen schnell aufrüsten und so eine Verbindung für noch weniger schaffen. Mit Tragflächen statt Rotoren muss man keinen Strömungsabriss befürchten, langsameres Fliegen und Manöver auf engem Raum sind möglich. Weil wir so leise sind, schränken uns auch Lärmschutzzonen nicht ein.

Wann starten die ersten Verbindungen?

Gerber: Derzeit arbeitet Lilium am Serien-Flieger und dessen Zulassung nach internationalen Regularien. Ab 2025 soll dann das erste Netz aus Lilium-Jets in der Luft sein. Davor muss noch ein Testprogramm absolviert und ein erster Kundenflug durchgeführt werden. Der Zeitplan ist eng. Mittlerweile nähern sich Regularien weltweit an. Und: Behörden sprechen mittlerweile im Vorfeld der Entscheidungen mit den Unternehmen.

Hinweis der Redaktion: Das komplette Interview finden Sie im aktuellen eMove360° Magazin – druckfrisch und als PDF zum downloaden: https://www.emove360.com/de/emove-magazin/

 

 

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