Prof. Maximilian Fichtner

Prof. Maximilian Fichtner: Reichweiten über 500 Kilometer werden selbstverständlich sein

Prof. Maximilian Fichtner ist ein international renommierter Experte für Batterietechnologie. Im Interview spricht er über verbesserte Batteriesysteme, Alternativen zum Kobalt-Einsatz und die Klima vorteile der E-Mobilität.

Diesen Beitrag finden Sie in der aktuellen Ausgabe des eMove360° Magazins – Mobilität 4.0 – elektrisch vernetzt autonom. Kostenloses PDF downloaden oder druckfrisches Exemplar im Shop bestellen.

Sie sagen: Batterien von Elektroautos werden in den kommenden Jahren große Fortschritte machen. Was macht Sie so sicher?
Prof. Maximilian Fichtner: Ich erwarte Entwicklungssprünge auf zwei entscheidenden Gebieten. Zum einen bei den Speichermaterialien, die die Energie aufnehmen. Hier tut sich vor allem auf der Anodenseite viel, wo ein Komposit aus Graphit und Silizium schon bald das reine Graphit ablösen könnte. Da Silizium eine zehnmal höhere Speicherdichte hat als Graphit, würde der Energiegehalt der Batterien damit deutlich steigen. Zum anderen zeichnen sich Verbesserungen beim Aufbau der Batterien ab. Konkret: Künftige Batteriesysteme könnten bei gleicher Größe wesentlich mehr Speichermaterial aufnehmen. Das ist ein wichtiger Hebel für höhere Reichweiten.

Was ist der Nachteil der heutigen Batterie-Architektur?
Fichtner: Der aktuell übliche Aufbau führt dazu, dass Batteriesysteme nur zu 25 bis 30 Prozent aus dem eigentlichen Speichermaterial bestehen. Der Rest entfällt auf Gehäuse, Verpackung und Zusatzstoffe. Hier werden wir in Zukunft große Fortschritte sehen: Künftige Batteriesysteme werden effizienter aufgebaut sein, der Anteil des Speichermaterials könnte sich fast verdoppeln. Damit würde der Energiegehalt steigen, die Kosten der Herstellung würden sinken. Ich bin relativ sicher, dass wir dadurch sprunghafte Verbesserungen erleben.

Welche Rolle spielt die heiß ersehnte Festkörperbatterie?
Fichtner: Die Festkörperbatterie bietet die Möglichkeit, den Graphit am Minuspol durch metallisches Lithium zu ersetzen, was Reichweiten-Steigerungen von 30 bis 40 Prozent bringen würde. Deshalb gilt die Technologie als heiliger Gral der Batterieforschung. Auch ich sehe durchaus Chancen – allerdings bleiben Unsicherheiten, weil es Festkörperbatterien noch nicht in industrieller Ausprägung gibt. Weitere offene Fragen sehe ich beispielsweise auf der Kostenseite.

Welche Kosten sind das?
Fichtner: Heutige Lithium-Ionen-Akkus befinden sich auf einer klassischen fallenden Kostenkurve. Mit der Einführung nachhaltiger Kathodenmaterialien wie Lithium-Eisenphosphat haben sie die wichtige Marke von 100 Dollar pro Kilowattstunde Strom bereits unterschritten. Das ist die magische Grenze, unterhalb der ein Elektroauto kostengünstiger wird als ein Verbrenner. Ob oder wie schnell das mit der Festkörperbatterie gelingt, lässt sich heute noch nicht sagen.

Mit welchen Verbesserungen können Autofahrer rechnen?
Fichtner: Elektrische Reichweiten deutlich über 500 Kilometer werden bald selbstverständlich sein. Selbst 1.000 Kilometer Reichweite sind durchaus möglich. Insgesamt ist die Entwicklung der Fahrzeuge auf einem guten Weg. Baustellen sehe ich dagegen bei der Ladeinfrastruktur: Wir brauchen flächendeckend leistungsstarke Schnellladesäulen. Wir müssen Städtern ohne eigene Wallbox ermöglichen, ein E-Auto bequem zu laden. Und wir müssen die Preisgestaltung beim Laden unterwegs vereinheitlichen. Das Elektroauto hat im Pkw-Bereich die beste Klimabilanz aller Antriebsarten – wir sollten deshalb dafür sorgen, dass sich die E-Mobilität durchsetzt.

Kritik gibt es oft am Abbau der Batterie-Rohstoffe Kobalt und Lithium. Sehen Sie Alternativen?
Fichtner: Kobalt wird derzeit vor allem in Handy- und Notebook-Akkus sowie in Hart- und Schneidstählen eingesetzt. Was Elektrofahrzeuge betrifft, scheint dagegen ein kompletter Ausstieg möglich und auch geboten zu sein. Nicht nur wegen der Menschenrechts-Problematik, sondern auch wegen der begrenzten Reserven. Eine gute Alternative ist bereits vorhanden: Lithium-Eisenphosphat. Das Material ist kostengünstig, nachhaltig verfügbar und ungiftig. Auch der sogenannte Manganspinell könnte eine Option sein. Beim Lithium dagegen zeichnet sich bisher kein überzeugender Ersatz ab. Allerdings sehe ich die Lage hier auch deutlich unkritischer: Die weltweiten Lithium-Vorräte reichen erheblich länger als beim Kobalt. Und zur Lithium- Gewinnung aus Salzseen gibt es derzeit ebenfalls Alternativen.

■ Weitere Information: www.volkswagen.com

Please follow and like us:

29.06.2021   |  

Das könnte Sie auch interessieren