Strategy&_EVSR Q4 2023_PocketData. Foto: PWC Strategy& Deztschland

Studientipp: Deutsche Autobauer machen in China Boden gut

Die E-Mobilität setzt ihren Wachstumskurs fort und hat 2023 wichtige Wegmarken geknackt, gegen Jahresende allerdings weltweit sowie in Deutschland an Dynamik eingebüßt. Das zeigt der Electric Vehicle Sales Review von PwC Autofacts und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, in dem die Neuzulassungszahlen in weltweit 20 ausgewählten Märkten ausgewertet werden. In China wurden 2023 demnach erstmals innerhalb eines Quartals mehr als 2 Millionen reinelektrische Fahrzeuge (Battery Electric Vehicle, BEV) verkauft. In den USA kletterten die BEV-Absatzzahlen im gesamten Jahr 2023 über 1 Million. Trotz der Rekorde schwächte sich das Wachstum insgesamt leicht ab. So legte der weltweite BEV-Absatz 2023 um 28 Prozent zu, 2022 waren die Verkäufe jedoch noch um 60 Prozent gestiegen. Nach einem starken dritten Quartal verzeichnete Deutschland zum Jahresende eine leichte Delle. Im Dezember wurden 48 Prozent weniger BEVs abgesetzt als im gleichen Monat des Vorjahres. Grund dafür war vor allem das abrupte Ende der staatlichen Förderung. Auf Jahressicht fiel Deutschland mit 11 Prozent BEV-Wachstum sogar hinter den EU-Schnitt mit 21% Wachstum zurück. Vor allem die bisherigen Nachzügler Italien und Spanien legten mit Zuwachsraten von 35 Prozent und 66 Prozent deutlich zu. Mit Abstand wichtigster Markt für BEVs innerhalb der EU bleibt dennoch Deutschland, mit 42% der europäischen BEV-Absätze.

Deutsche OEMs machen Boden gut

Während die BEV-Nachfrage in ihrem Heimatmarkt leicht zurückging, setzten die deutschen Autobauer im internationalen Wettbewerb zur Aufholjagd an und konnten ihre BEV-Verkäufe weltweit sowie im größten Absatzmarkt China deutlich steigern. Demnach verkauften die deutschen OEMs im vergangenen Jahr in China 49 Prozent mehr BEVs als im Vorjahr, der Gesamtmarkt legte lediglich um 24 Prozent zu. Im vierten Quartal 2023 wuchsen die deutschen Hersteller mit einem Plus von 63 Prozent sogar fast dreimal so schnell wie der chinesische Markt. Trotz dieser Aufholjagd verharren die absoluten Verkaufszahlen der deutschen Autobauer in China auf niedrigem Niveau. Ihr Marktanteil stieg 2023 um nur einen Prozentpunkt auf 5 Prozent. Weltweit erhöhten die deutschen OEMs ihre BEV-Verkäufe um 47 Prozent, der Gesamtmarkt schaffte ein Plus von 28 Prozent. Der Marktanteil der deutschen Hersteller liegt damit global bei 14 Prozent, was einem Zuwachs von 2 Prozentpunkten entspricht.

„Für die deutschen Autobauer war 2023 in vielerlei Hinsicht ein Entscheidungsjahr. Mit wettbewerbsfähigen Modellen auch abseits des Premiumsegments konnten sie sich einerseits eindrucksvoll zurückmelden. Zugleich merken sie immer stärker, dass der E-Auto-Markt endgültig im Mainstream angekommen ist – Preiskampf und Streichungen staatlicher Subventionen inklusive“, sagt Felix Kuhnert, Partner und Automotive Leader bei PwC Deutschland. „Obwohl 2024 von geopolitischen Unsicherheiten wie etwa der Wahl in den USA geprägt sein wird, rechnen wir insgesamt mit neuer Dynamik am Markt. Gerade das abrupte Ende der Förderung in Deutschland setzt die hiesigen Hersteller allerdings erst einmal unter Druck, zumal chinesische Hersteller mit innovativen und günstigen Modellen nach Europa drängen. Für die deutschen OEMs ist es deswegen entscheidend, ihre Produktpalette zu erweitern und vor allem im Bereich 20.000 bis 30.000 Euro konkurrenzfähige Modelle anzubieten.“

Gebrauchtwagenmarkt für BEVs gewinnt an Relevanz

Aus Sicht potenzieller Käufer lohnt sich inzwischen auch ein Blick auf den neu entstehenden BEV-Gebrauchtwagenmarkt. Dort werden laut Strategy&-Analyse zurzeit BEVs in Deutschland drei Jahre nach Erstkauf im Schnitt 10 Prozent günstiger angeboten als vergleichbare Modelle mit Verbrennungsmotor. Der Preisvorteil ist dabei bei günstigeren BEVs mit einem Anschaffungspreis unter 55.000 Euro mit knapp 12 Prozent fast doppelt so hoch wie bei Premiummodellen mit Neupreisen ab 70.000 Euro. Da allein in Deutschland inzwischen 1,2 Millionen BEVs auf der Straße sind, steigt automatisch auch das Angebot gebrauchter BEVs. Gleichzeitig ziehen Kunden gebrauchte BEVs immer häufiger in ihre Kaufentscheidung ein. Laut eReadiness Studie 2023 von Strategy& können sich weltweit 60 Prozent aller Kunden vorstellen, ein gebrauchtes E-Auto zu kaufen, in Europa sind es sogar 71 Prozent.

„Gebrauchte BEVs sind häufig nicht nur deutlich günstiger, sondern angesichts der bisweilen langen Lieferzeiten auch viel schneller verfügbar als Verbrenner. Für das Sorgenkind Batterie, das viele vom Kauf eines gebrauchten BEV abhält, geben inzwischen fast alle Hersteller eine achtjährige Garantie“, sagt Jörn Neuhausen, Senior Director und Leiter Elektromobilität bei Strategy& Deutschland. „Für die kommenden Jahre erwarten wir daher starkes Wachstum im Gebrauchtwagenmarkt. Das schafft einerseits großes Potenzial für neue Geschäftsmodelle wie etwa die Wertbestimmung der gebrauchten Batterie, verleiht aber auch dem Thema Recycling enormen Schwung. Wenn jetzt ausreichend und an den richtigen Stellen investiert wird, kann Europa in der Batteriezellenproduktion bereits 2035 ein knappes Drittel seines Bedarfs an Lithium, Nickel und Kobalt mit recyceltem Material decken, bis 2040 sogar mehr als zwei Drittel. Das stärkt nicht nur die wirtschaftliche Souveränität, sondern lohnt sich auch für die beteiligten Unternehmen, die mit dem Recycling von Akkus in Europa bereits vor 2035 ein rentables und nachhaltiges Geschäft machen können.“

FAZIT

Die deutschen OEMs holen global auf und wachsen im BEV-Sektor 2023 in China doppelt so schnell wie der Gesamtmarkt – Die Absätze klettern in China im vierten Quartal 2023 zum ersten Mal über 2 Millionen BEVs, die USA knacken die Marke von 1 Million verkaufter Stromer im Gesamtjahr – Dennoch verliert der BEV-Markt weltweit sowie in Deutschland leicht an Fahrt – Gebrauchte BEVs sind momentan drei Jahre nach Kauf im Schnitt 10% günstiger als Verbrenner – Die OEMs müssen 2024 mit noch stärkerem Preisdruck rechnen und sich auf Modelle im Bereich 20.000 bis 30.000 Euro fokussieren

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04.04.2024   |  

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