eMove360°-Serie Nachgefragt: „Wie geht es unseren Award-Siegern?”

Unsere neue Serie “Nachgefragt: Wie geht es unseren Award-Siegern?” starten wir mit dem Award-Sieger 2019 in der Kategorie Electric Passenger Vehicle – dem Jaguar I-PACE – ein Interview mit Christian Löer, Direktor Marketing Jaguar Land Rover

Das erste vollelektrische Auto aus dem Hause Jaguar ist voll eingeschlagen und hat schon kurz nach seiner Vorstellung einen Preis nach dem anderen abgeräumt. Auch die eMove360-Award-Jury war sich im Vorjahr einig: Der Jaguar I-PACE ist der Gewinner in der Kategorie Electric Passenger Vehicle. Unter großem Applaus überreichte Laudatorin, Schauspielerin und Grimme-Preis-Trägerin Nadeshda Brennicke im Gloria Filmpalast im Oktober 2019 die eMove-Trophäe an Florian Steger, Verkaufsleiter des Jaguar Land Rover Partners Avalon Premium Cars.

Wir wollten wissen, was hat sich in der Zeit seit der Präsentation des ersten vollelektrischen Jaguars getan und haben uns mit Christian Löer, Direktor Marketing Jaguar Land Rover, im Mai unterhalten.

 Herr Löer, was bedeutete für Jaguar der Start des ersten Elektrowagens?

Der Jaguar I-PACE war eine echte Pionierleistung, sowohl was die Technologie betrifft als auch die Arbeitsprozesse. Wir haben mit der Entwicklung des I-Pace bereits im Februar 2014, also deutlich vor dem Elektrohype, begonnen. Zu diesem Zeitpunkt war zwar klar, dass die Elektromobilität wichtig werden wird, aber unklar, wann genau die Zukunft beginnen würde. Dabei haben wir sehr effizient gearbeitet, indem wir eine ganze Reihe von Prinzipien und Strukturen der Produktentwicklung von anderen Industrien adaptierten – etwa aus der Elektronik- und Mobilfunkbranche. Das hat dazu geführt, dass wir vom weißen Blatt Papier bis zum ersten Kundenfahrzeug nur vier Jahre gebraucht haben. Zum Start der Entwicklung standen uns weder ein Elektromotor, noch eine Batterie, noch irgendwelche anderen wesentlichen Komponenten des I-Pace zur Verfügung.

Kurz nach der Präsentation hat der I-PACE einen Preis nach dem anderen abgeräumt? Wie hat sich der Absatz entwickelt?

Der Jaguar I-PACE hat weltweit alle renommierten Automobilpreise gewonnen und er ist in den Märkten sehr gut angekommen. In England war der I-PACE in den letzten Monaten das zweitstärkste Elektromodell, und in den klassischen Elektromärkten, in denen der Staat die Verbreitung der E-Mobilität unterstützt, wie Norwegen, Holland, Kalifornien etc. sind wir ebenfalls sehr stark. Es ist wie bei vielen Herstellern eher die Kapazität von Batterien, die das Volumen vorgibt.

Gibt/Gab es Unterschiede in der Marketingstrategie – Elektroauto – Verbrenner? Ist mehr Überzeugungsarbeit zu leisten?

Unser Ziel in Deutschland war es die Marke mit dem I-PACE weiter positiv aufzuladen und Jaguar als technologisch fortschrittliche Marke zu positionieren – als einer der Technologieführer in der Autoindustrie, der auch schönes Design und sportliche Performance bietet. Dabei war es wichtig dem „First Mover“ die Reichweitenangst zu nehmen, weshalb die Dienstleistungen um das Produkt eine zentrale Rolle im Marketing und in den Kundenansprache gespielt haben – wie z.B. das Abo von Plugsurfing als Provider von flächendeckenden Ladestationen oder die Empfehlung von Wallboxen für das Laden zu Hause. Auch mussten wir unseren Handel sehr ausführlich schulen, um auch hier Berührungsängsten mit der neuen Technologie zu überwinden.

Wo liegen die Stärken des I-PACE?

Die Stärken liegen klar in den Kerneigenschaften eines Jaguar. Die Marke steht für zwei Attribute: Das erste ist Leistung, auf Englisch „Performance“. Sie müssen einfach Leistung haben, wenn Sie aufs Gaspedal treten. Das zweite Attribut ist „smooth ride“, das heißt sanftes, komfortables Fahren. Sanft also auf der einen Seite, rassig auf der anderen. Das Elektroauto ist das ideale Antriebskonzept, um diese beiden Attribute noch einmal auf eine höhere Ebene zu heben. Sie haben eine sehr gute Performance, wir sind beim I-PACE im Sportwagenbereich, was die Beschleunigung betrifft. Und Sie haben durch den Elektroantrieb ein sehr, sehr niedriges Geräuschniveau und ein sehr sanftes Fahren. Die beiden genannten Jaguar-Attribute repräsentiert der I-PACE also in idealer Weise.

Was unterscheidet die Fertigung eines rein elektrischen von einem konventionell angetriebenen Jaguar?

Unsere Ingenieure vermuteten zu Beginn große Schwierigkeiten an allen möglichen Stellen. Aber Sie haben schnell festgestellt, dass das Elektroauto ein relativ einfaches Auto mit einem Antriebsstrang ist, der deutlich weniger Aufwand in Versuch und Erprobung verursacht. Ansonsten ist auch das Elektroauto zu 80 Prozent ein normales Auto, mit einer Bremse, Türen, Sitze etc. Da aber jede Antriebsart seine eigenen Anforderungen hinsichtlich Package, Crashstruktur etc. hat und wir uns für eine komplette Neuentwicklung entschieden hatten, mussten wir keine Kompromisse eingehen und konnten die Vorteile, die eine kompromisslose E-Plattform bietet, voll ausschöpfen; etwa die Raumökonomie und den Fahrkomfort – beides dem langen Radstand und den kurzen Überhängen geschuldet.

Stichwort Digitalisierung?

Wir haben jüngst unsere Modelle durch eine neue „Software-over the Air“ Funktion zukunftssicherer gemacht. Dank dieser „SOTA“-Funktion gelangen Software-Updates drahtlos über das Netz zu den Fahrzeugen – Werkstattbesuche zum Aufspielen neuer Datensätze werden überflüssig. Die neueste Generation der Touch Pro und Touch Pro Duo Infotainment-Systeme von Jaguar, die auch im Jaguar I-PACE enthalten sind, sind jetzt außerdem standardmäßig mit dem Smartphone-Paket bestückt. Dazu zählt generell Apple CarPlay und Android Auto, die die Nutzung verschiedener Funktionen eines iPhone oder Android-Smartphone über das Infotainment-System ermöglichen. Für die Nutzung fallen dabei keine Abogebühren an.  Wir sind sehr stolz auf diese neue Funktion.

Was die elektrische Fahrweise betrifft, unterstützen viele digitalen Helfer den Fahrer eines I-PACE. Er kann jederzeit sehen, wie viel Batteriekapazität vorhanden ist, wie viele Kilometer er damit noch fahren kann, wo die nächste Ladestation oder was die beste Streckenführung für den Stromverbrauch ist. Er kann eine dynamische Fahrweise wählen oder einen Eco-Modus, und vieles mehr. Reichweitenangst ist bei dem I-PACE unbegründet, zumal er realistisch bis zu 360 km mit einer Ladung überwinden kann.

Wie viel Geld steckt Jaguar in die Weiterentwicklung der Elektrifizierung der Flotte?

Das Investitionsvolumen in die zukünftige Mobilität ist signifikant – ob es sich um elektrische, autonome, vernetzte oder geteilte Mobilität handelt. Als größter Automobilhersteller in Großbritannien hat Jaguar Land Rover im letzten Jahr angekündigt, seine Produktionsstätte in Castle Bromwich bei Birmingham für die zukünftige Produktion von Elektrofahrzeugen auszubauen. Zudem werden in unmittelbarer Nähe neue Anlagen für die Fertigung von Batterie- und Elektroantriebseinheit (EDU) entstehen.

Das neue Batteriemontagezentrum in Hams Hall wird mit einer installierten Kapazität von 150.000 Einheiten das innovativste und technologisch fortschrittlichste in Großbritannien sein. Zusammen mit dem Wolverhampton Engine Manufacturing Centre (EMC), dem Sitz der globalen EDU-Produktion von Jaguar Land Rover, werden diese Fabriken die nächste Generation von Jaguar- und Land Rover-Modellen versorgen.

Ein weiterer Schritt bei der Elektrifizierung ist die Kooperation mit BMW. Ziel der Zusammenarbeit ist es, die Entwicklung der Elektrifizierungstechnologie voranzutreiben und den Übergang zur autonomen, vernetzten, elektrischen und geteilten Mobilität zu unterstützen. Gemeinsame Investitionen in Forschung und Entwicklung, Technik und Beschaffung ermöglichen notwendige Skaleneffekte, um der zunehmenden Akzeptanz von Elektrofahrzeugen bei den Verbrauchern begegnen zu können.

Sind weitere Modelle geplant?

Es ist unsere Strategie alle zukünftigen Modelle zu elektrifizieren. Die künftigen Verbrauchsvorschriften sind ohne Elektrifizierung des Antriebsstrangs nicht erfüllbar. Je nach Fahrzeugklasse wird es diesbezüglich unterschiedliche Konzepte geben: In der Oberklasse sehen wir den Plug-in-Hybrid und vollelektrische Antriebe. Bei den Kleinwagen und im mittleren Fahrzeugsegment rechnen wir vor allem mit der 48-Volt-Technik – deren Mildhybridsysteme ihre Effizienz im Wesentlichen der Bremsenergierückgewinnung verdanken.

Unsere ersten neuen Modelle sind der Land Rover Discovery Sport Plug-in Hybrid und der Range Rover Evoque Plug-in Hybrid. Sie kann man heute schon bestellen. Ein neuer 147 kW (200 PS) starker 1.5 Liter Ingenium Dreizylinder-Benzinmotor samt Achtgangautomatik wird mit einem 80 kW (109 PS) leistenden Elektromotor als Hinterachsantrieb kombiniert, was für niedrige Verbrauchswerte, hervorragende Leistungsdaten und die Land Rover typischen Qualitäten auf jedem Untergrund bürgt. Während die CO2-Emissionen der PHEV-Modelle bei 43 g/km beginnen, ist mit den Plug-in Varianten von Evoque und Discovery Sport eine rein elektrische Reichweite von bis zu 68 Kilometern möglich.

Mittelfristig arbeiten wir an einer neuen flexiblen Fahrzeugarchitektur, die sog. Modular Longitudinal Architecture (MLA), die die flexible Produktion von sauberen, effizienten Diesel- und Benzinfahrzeugen neben Voll-Elektro- und Hybridmodellen ermöglicht.

Gibt es Neuerungen beim I-PACE?

Der I-PACE erhält in Kürze die 3-phasige Ladetechnologie, was deutlich schnelleres Laden auch zu Hause ermöglicht. Zusammen mit der Bafa-Förderung, die seit kurzem auch für den I-PACE erhältlich ist, können wir einen größeren Kundenkreis in Deutschland ansprechen.

Sie haben auch zwei Rennwagen entwickelt, den Jaguar I-PACE e-Trophy, der auf dem Serienmodell basiert und der Formel E Rennwagen I-TYPE. Gibt es eine technische Verwandtschaft?

Beide Fahrzeuge besitzen Lithium-Ionen-Batterien mit einer Nickel-Kobalt-Mangan Zellchemie, und beide besitzen Permanentmagnet Synchronmotoren.

In welchem Umfang soll die Formel-E Technologie in die Serie miteinfließen?

 Von der Formel-E bekommen wir viele neue Erkenntnisse über die Elektrotechnologie, die unseren Ingenieuren bei der Entwicklung besserer EVs zugutekommen. Diese Rennserie hat gleich mehrere Lösungen für Serienanwendungen beschleunigt, darunter das Wärmemanagement, das Batteriemanagement und das Getriebe. Unsere Ingenieure arbeiten an den  Fahrzeugprogrammen im Rennteam mit, um diese Erkenntnisse quasi in Echtzeit für die Entwicklung von Serienfahrzeugen nutzbar zu machen. Der Transfer von EV-Technologie in der Formel E erfolgt wesentlich schneller als bei anderen Rennserien, wie beispielsweise der Formel 1.

 Warum nehmen Sie an der Formel-E teil?

Die Formel-E ist nicht nur ein perfektes Innovationslabor, sondern sie macht die Elektrifizierung einem breiteren Publikum zugänglich und erreicht auch junge Leute, die unsere Kunden von Morgen sind. Sie zeigt einem breiten Publikum die Leistungsfähigkeit des Elektroantriebs.

Und wir können unsere Kunden aktivieren und neue Kunden an die Marke heranführen. Gerade in Städten wie Berlin funktioniert das hervorragend. Dadurch dass die Rennen weltweit stets im urbanen Umfeld stattfinden, gelingt es, ein neues Rennsport-Erlebnis zu schaffen.

Wir sind sehr stolz, als erster Premium-Hersteller den Schritt in die Formel E gewagt zu haben, dem inzwischen alle Premiumhersteller gefolgt sind. Was die Rennen spannender macht und die Attraktivität der Formel E steigert.

Das gesamte Interview können Sie in der Juni-Ausgabe des eMove360° Magazins nachlesen oder sich als PDF downloaden https://www.emove360.com/de/emove-magazin/

 

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17.06.2020   |  

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