Polestar Head of Sustainability Fredrika Klarén

eMove360° Serie Women in Tech: Fredrika Klarén, Head of Sustainability at Polestar

Für die aktuelle Ausgabe des des eMove360° Magazins hat Sabine Metzger mit Fredrika Klarén, Head of Sustainability at Polestar, gesprochen. Fredrika kam im April 2020 zu Polestar, um die Nachhaltigkeitsambitionen des Unternehmens in Themen wie Klimaneutralität, Zirkularität, Transparenz und Inklusion voranzutreiben. Ein Beispiel hierfür ist das Polestar 0 Projekt mit dem Ziel, bis 2030 das erste wirklich klimaneutrale Auto zu bauen.

Wenn wir richtig informiert sind, waren Sie nicht immer in der Autoindustrie tätig. Über Stationen in der Bekleidungs- und Möbelindustrie sind Sie zur Automobilbranche gekommen. Warum haben Sie sich 2020 für Polestar entschieden? Was wollten Sie bewegen?

Frederika Klarén: Richtig, ich habe zuvor bei Ikea und dem schwedischen Modeunternehmen KappAhl im Bereich Nachhaltigkeit gearbeitet. In den letzten 13 Jahren habe ich meine ganze Zeit der Nachhaltigkeit gewidmet. Als ich im April 2020 zu Polestar kam, reizte mich die Aufgabe, die Energie und die Ideen, die es bei Polestar gab, zu kanalisieren und eine Strategie zu entwickeln, die eine große Wirkung haben könnte. Zum Beispiel, um sicherzustellen, dass Polestar in Zeiten der Klimakrise den Klimawandel adressiert, denn Elektroautos stellen bereits eine erstaunliche Lösung dar.

Wir konzentrieren uns auf vier Schlüsselfaktoren für Nachhaltigkeit: Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft, Transparenz und Inklusion. Voriges Jahr haben wir unser Polestar 0 Projekt ins Leben gerufen, das darauf abzielt, ein wirklich nachhaltiges Auto zu entwickeln, bei dem die Treibhausgasemissionen, die bei der Produktion eines Autos entstehen, eliminiert werden. Ich glaube, dass wir ein Unternehmen sein können, das die Menschen inspiriert und in ihnen den Wunsch weckt, einen Lebensstil zu entwickeln, der auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Ein Teil dieser Bewegung zu sein, ist eine ebenso wichtige wie aufregende Aufgabe.

Was ist das Beste an Ihrem Job?

Klarén: Ein großer Antrieb für mich ist es, den erstaunlichen Wert zu sehen, den Nachhaltigkeit in einem Unternehmen und für jeden, der seinen Beitrag leistet. Ich bin begeistert, dass ich in einem Unternehmen arbeiten darf, das keine Kompromisse zwischen Nachhaltigkeit und anderen Aspekten eingehen will. Nachhaltigkeit ist ein Teil aller Entscheidungen, die bei Polestar getroffen werden – und das liegt am echten Engagement aller, die hier arbeiten. Als ich bei Polestar anfing, war ich sehr beeindruckt, dass jeder im Unternehmen motiviert ist, etwas zu verändern. Wir wollen nicht nur dasitzen und reden – wir handeln und treffen mutige Entscheidungen. Das gibt mir eine Menge Energie. Das Beste an meinem Job ist, dass es jeden Tag neue Herausforderungen gibt, denn ich möchte Fortschritte sehen und Probleme lösen.

Mit dem Polestar 0 Projekt wollen Sie den gesamten Entwicklungsprozess – die klimaneutrale Herstellung – von den Lieferanten bis hin zum Handel unter die Lupe nehmen. Wie ist dieses Ziel realisierbar?

Klarén: Das Polestar 0 Projekt ist außerordentlich ehrgeizig, weil wir das volle Potenzial von Elektrofahrzeugen ausschöpfen wollen – um einen Weg zu einer klimaneutralen Mobilität zu bieten. Auch wenn Elektrofahrzeuge schon heute eine Lösung für die Probleme bieten, die der Klimawandel verursacht – nur mit „ besser“ geben wir uns nicht zufrieden. Wir müssen die Art und Weise, wie wir Autos herstellen, ändern, um eine nachhaltige Gesellschaft aufzubauen. Mit diesem Ziel wollen wir bei unseren Ingenieuren, Designern und Käufern, aber auch in der gesamten Branche ein Gefühl der Dringlichkeit wecken, dass es an uns liegt, Lösungen zu finden und zu schaffen. Und dass wir die Kurve in diesem Jahrzehnt durchbrechen müssen. Das bedeutet, dass Kompensationen, zum Beispiel durchs Bäume pflanzen, vom Tisch ist.

Natürlich sind wir uns bewusst, dass dies sehr ambitioniert ist und dass wir mit diesem Projekt vor einer großen Herausforderung stehen. Für uns ist es ein echtes Moonshot Goal. Wir wissen, dass Polestar heute bei weitem nicht alle Antworten hat. Wir sind nur ein kleines Unternehmen in einer großen Branche. Deshalb rufen wir andere Automobilhersteller auf, sich zu engagieren und wie wir Ökobilanzdaten, Methoden und Angaben zu den Herausforderungen, vor denen wir stehen, gegenüber unseren Kunden transparent zu machen. Gemeinsam können und müssen wir unsere Branche neu erfinden. Zusammenarbeit und vollständige Transparenz sind der einzig denkbare Weg nach vorn.

Wie integrieren Sie Nachhaltigkeit in Ihr Privatleben? Welche persönlichen Nachhaltigkeitsziele haben Sie?

Klarén: Wir haben vor ein paar Jahren einen Klimaaktionsplan für unsere Familie erstellt. Es ist mir wichtig, meinen Kindern zu zeigen, dass wir die notwendigen Veränderungen vornehmen und dass sie und wir als Familie Verantwortung tragen und übernehmen müssen. Eine unserer wichtigsten Veränderungen ist, dass wir seit fast zehn Jahren ausschließlich Elektroautos fahren und nur noch erneuerbare Energien nutzen.

Ich denke, jeder sollte dem Rat des World Wide Fund for Nature (WWF) folgen und sich auf fünf Bereiche konzentrieren: Die Art und Weise, wie man sich fortbewegt, wie man isst, wie man sein Haus mit Strom versorgt, wie man einkauft und Geld anlegt. Dies sind die Bereiche, auf die man den größten Einfluss hat. Beim Einkaufen stelle ich mir viele Fragen, zum Beispiel, wie groß ist der CO2-Fußabdruck dieses Produkts? Wie steht es um das Engagement für die Menschenrechte? Und wenn ich keine zufriedenstellenden Antworten erhalte, stimme ich mit meinem Geldbeutel ab. Das ist vielleicht die wirksamste Maßnahme, die man ergreifen kann.

Ich wünschte, jeder Einzelne würde erkennen, dass es wirklich an ihm liegt, eine nachhaltige Gesellschaft zu schaffen. Regierungen und Unternehmen hören auf das, was Wähler und Käufer ihnen vorgeben. Die Verantwortung liegt wirklich bei jedem einzelnen. Es ist an der Zeit, sich dieser Tatsache bewusst zu werden.

Warum gibt es so wenige Frauen in der Tech-Branche? Welche Hürden müssen Frauen heute immer noch überwinden?

Klarén: Ich habe das Glück, in einem Unternehmen zu arbeiten, das hier vorbildlich und fortschrittlich agiert. Bei Polestar arbeiten sehr viele Frauen, aber auch wir haben noch einen weiten Weg vor uns, bevor wir sagen können, dass wir wirklich gleichberechtigt oder divers sind. Ich finde, dass sich alle über die Gleichberechtigung und den Wert und die Notwendigkeit von Inklusion und Vielfalt in der Wirtschaft einig sind. Aber wir kämpfen gegen jahrelange Unterdrückung und systematische Barrieren. Vorurteile sind real, und wir alle leiden darunter.

Wir haben bei Polestar ein einfaches Training für Personalverantwortliche durchgeführt, um Voreingenommenheit entgegen zu wirken, und der Anteil der Frauen, die eingestellt wurden, ist allein durch diese eine Maßnahme um 10 Prozent gestiegen. Die Dinge werden sich nicht schnell genug ändern, wenn wir uns zurücklehnen und abwarten, wir müssen proaktiv handeln und neue Ansätze entwickeln. Und eine ganz einfache Sache, wäre die Verwendung von Gendersprache, hier tut sich die Autoindustrie immer noch schwer. Das ist eine einfache, aber wirkungsvolle Maßnahme, die wir alle für die Gleichberechtigung ergreifen können.

Gibt es Menschen, die Sie geprägt haben? Haben Sie Vorbilder?

Klarén: Oh, ja, da gibt es viele. Und sie alle tauchen an bestimmten Punkten in meinem Leben auf, wenn ich ihren spezifischen Ansatz oder ihre Idee wirklich brauche. Ich wurde von einem starken, liebevollen alleinerziehenden Vater aufgezogen, der mich jeden Tag inspiriert. Gegenwärtig sind meine wichtigsten Bezugspersonen die Ingenieurinnen und Ingenieure und meine Teammitglieder bei Polestar. Ich bin sehr ehrlich, was die Tatsache angeht, dass ich noch viel über die Autoproduktion lernen muss – und dafür habe ich die besten, leidenschaftlichsten Leute um mich herum!

Sie nehmen am Global Female Leaders Summit in Berlin teil? Mit welchen Erwartungen fahren Sie im Mai nach Berlin?

Klarén: Ich fahre nach Berlin, um Gleichgesinnte für das Ziel zu finden, so viele Automobilhersteller wie möglich dazu zu bringen, sich auf das Ziel „True Zero“ zu einigen, gemeinsame Standards zu setzen und offen zusammenzuarbeiten – und zwar jetzt. Nachhaltigkeit sollte kein Wettbewerb sein. Wenn wir gemeinsam handeln, können wir viel mehr erreichen. Ich denke, dass der Global Female Leaders Summit eine großartige Plattform dafür bieten wird.

Können Sie uns einen Trend nennen, der den Bereich, in dem Sie arbeiten, derzeit prägt?

Klarén: Im Bereich der Nachhaltigkeit gibt es derzeit viele interessante Entwicklungen. Die Verbindung zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zum Beispiel. Wir können damit beginnen, Tracking einzusetzen, um die Transparenz zu erhöhen und einen größeren Einfluss auf die Nachhaltigkeit in den Wertschöpfungsketten zu haben. Dies wird einen erheblichen Einfluss auf die Nachhaltigkeit unserer Lieferketten haben und sicherstellen, dass wir messen können, was wir wertschätzen.

Ein weiterer Trend ist der der „exponentiellen Technologie“. Dabei handelt es sich um die Theorie, dass sich die technologische Entwicklung in einem solchen Tempo vollzieht, dass sie in naher Zukunft Möglichkeiten schafft, die wir uns vielleicht noch gar nicht vorstellen können. Polestar möchte sich dies zunutze machen und sich für die Zukunft wappnen, indem es das exponentielle Denken auf die Klimakrise und andere Herausforderungen der Nachhaltigkeit anwendet. Wenn wir weiterhin linear denken, wie es in der Wirtschaft immer noch üblich zu sein scheint, treffen wir nicht die richtigen Entscheidungen. Im Moment versucht jeder herauszufinden, wie wir rechtzeitig klimaneutral werden können, um den Temperaturanstieg um 1,5 Grad zu stoppen. Hier hoffe ich, dass die Exponentialtechnologie hierauf Einfluss haben wird.

Dann gibt es den Übergang von konventionellen zu neuen und innovativen Materialien. Materialien sind im Grunde der Kern der verschiedenen Nachhaltigkeitsauswirkungen, die wir haben. Sei es die Umweltverschmutzung und der Energieverbrauch oder die sozialen Auswirkungen auf die Rechte der Arbeitnehmer und Sicherheitsfragen, insbesondere im Zusammenhang mit der Gewinnung und Veredelung von Rohstoffen. Wir gehen von der Verwendung einiger weniger ausgewählter Materialien (wie konventionellem Polyester oder Stahl) zur Erprobung neuer innovativer und zirkulärer Materialien in kleiner Serie über. Wir müssen nicht eine Einheitslösung finden, sondern können mit einer Vielzahl von Lösungen arbeiten.

Welchen Beruf würden Sie gerne ausüben, wenn Sie diesen nicht hätten?

Klarén: Ozeanographin. Bevor ich mein Studium begann, musste ich mich entscheiden, ob ich Umweltwissenschaften oder Meereskunde studieren wollte. Ich komme von einer Insel vor Göteborg, und viele aus meiner Familie arbeiten auf See. Mein Vater ist sogar Kapitän. Ich liebe das Meer und das Leben im Freien. Das ist sozusagen der einzige Nachteil an meinem Job: Ich bin oft drinnen, obwohl ich eigentlich gerne Zeit draußen verbringen würde.

Diesen und weitere Beiträge zum Thema Mobilität 4.0 elektrisch-vernetzt-autonom finden Sie im aktuellen eMove360° Magazin. Als Printausgabe bestellbar in unserem Shop oder hier die digitale Version kostenlos downloaden.

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17.03.2022   |  

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