Die Fahrzeugflotte von Kellner Telecom wird bis 2032 vollständig elektrifiziert. Foto: Kellner Telecom

Praxisbeispiel Flottenelektrifizierung: Intelligent Energy System Services GmbH und Keller Telecom

Die Elektrifizierung einer Firmenflotte ist ein wirtschaftlich und organisatorisch anspruchsvolles Vorhaben. Die Notwendigkeit einer Fuhrparkelektrifizierung ergibt sich durch politische Regularien, Emissionsreduktionsziele, steigende Kosten bei Verbrennern und zunehmendem Wettbewerb. Die besondere Herausforderung besteht darin, die Umsetzung der Elektrifizierung auf die Vielzahl der Fahrzeugvarianten sowie das Nutzerverhalten und die Betriebsanforderungen aufeinander abzustimmen Ein strategisches Konzept zu Beginn der Elektrifizierung mit Handlungsempfehlungen, zeitlicher Planung und Einbindung aller Stakeholder erhöht den Erfolg bei der Umsetzung.

Ein Beispiel aus der Praxis erläutert von Nicole Dötterer (Intelligent Energy System Services GmbH (IE2S) in einem Gastbeitrag für das aktuelle eMove360° Magazin.

Die Kellner Telecom GmbH verfügt über einen Fuhrpark von 168 Fahrzeugen, der sukzessive elektrifiziert werden soll. Der Fuhrpark besteht aus 91 PKWs, welche überwiegend Kombis sind, aus 53 Kleintransportern, 3 LKWs und sonstigen Fahrzeugen wie Vans, SUVs, Pick-ups. Darüber hinaus verfügt Kellner Telecom über 37 Anhänger. Die Fahrzeuge werden zum Teil für Privatfahrten von Dienstwagenfahrern und zum anderen werden sie für Montage- und Baustellenfahrten inkl. Transport von Materialien genutzt. Standzeiten der Fahrzeuge gibt es beim Beladen, in der Nacht auf dem Betriebshof oder beim Nutzer, der direkt von zuhause zur Baustelle fährt.

Zur Elektrifizierung des Fuhrparks hat Kellner Telecom einen Förderantrag zur Erstellung eines „Integrierten Konzeptes zur nachhaltigen Entwicklung der betrieblichen Mobilität“ beim BMDV gestellt und im Juni 2022 bewilligt bekommen. Der Fokus der Elektrifizierung lag zunächst auf den Standorten in Korntal-Münchingen und Dresden. Eine Herausforderung bei der Umstellung auf E-Fahrzeuge waren die unterschiedlichen Einsatzarten wie beispielsweise Montagefahrten zur Baustelle, Materialtransporte und private Fahrten mit Dienstfahrzeugen am Tag und teilweise in der Nacht. Die unterschiedlichen Einsatzarten, Fahrstreckenbedarfe, Nutzergruppen und Eigentumsverhältnisse zu den Fahrzeugen erforderten, dass individuelle Anforderungen im Elektrifizierungskonzept berücksichtigt werden.

Kellner Telecom verfügt selbst über umfassende Expertise im Umgang mit verschiedenen Ladesystemen und bietet individuelle Unterstützung für Unternehmen beim Aufbau von AC- und DC-Ladepunkten. Das Unternehmen begleitet seine Kunden entlang des gesamten Lebenszyklus der Elektromobilität, beginnend mit der herstellerunabhängigen Lieferung der Ladesysteme bis zur Installation, Durchführung von Messungen gemäß VDE-Vorgaben und Zähleranmeldung beim Netzbetreiber. Für die Beurteilung und Erstellung eines Konzeptes zur Elektrifizierung der eigenen Flotte hat sich Kellner Telecom an die Technologie- und Fachberatung IE2S gewendet.

Ziel des Elektrifizierungskonzeptes war eine Entscheidungshilfe zur Auswahl einer geeigneter PV-Anlage, die Einschätzung der Potenziale eines Speichers, die Strategie wann ein vorhandenes Firmenfahrzeug ausgewechselt werden soll sowie die Abwicklung von Ladeinfrastruktur für Mitarbeitende zuhause. Für die Entwicklung einer langfristigen Strategie zur flächendeckenden Elektrifizierung wurde eine datenbasierte Simulation für definierte Szenarien (Ladearten, Elektrifizierungsstufen, Standortentwicklungsstufen) eingesetzt. Die Simulation berücksichtigte verschiedene Faktoren wie die Netzanschlussleistung, die Senkung der Energie- und Betriebskosten, den Ladebedarf entsprechend der Fahrzeugnutzung und die Einsparung von Emissionen. Weiterhin wurde die Integration einer PV-Anlage und eines Energiespeichers an den untersuchten Standorten berücksichtigt und bewertet. Die Beurteilung der Dachflächen für PV-Errichtung wurde auf Basis eines Vergleichs der Ausrichtung (Süd oder Ost-West) sowie der prognostizierten Kosten, der CO2-Einsparpotenziale und der Leistungserträge durchgeführt. Die Notwendigkeit eines Speichers sowie dessen energetische und kommerzielle Vorteile wurden für spezifische Szenarien betrachtet. Für die konzeptionierten Technologien (Ladeinfrastruktur, PV und Speicher) wurden die standortspezifischen Sicherheitsanforderung für die Errichtung und den Betrieb erstellt.

Im Rahmen des Projekts wurde für die Kellner Telecom GmbH an den Standorten Korntal-Münchingen und Dresden eine umfassende Konzeptlösung entwickelt, die einen reibungslosen Übergang zur Elektromobilität sicherstellt und den ökologischen und politischen Vorgaben entspricht.

Fragen an Dr. Ola Pronobis, Managerin Smart Charging IE2S:

Welche Hürden gab es im Projekt?

Dr. Ola Pronobis: Die Erfassung des Status Quo hat einige Zeit in Anspruch genommen, war aber essenziell für die erfolgreiche Erstellung des Elektrifizierungskonzeptes. Weiterhin haben die Fahrzeuge spezielle Anforderungen, wie z.B. die Anhängelast und Zuladung. Es ist bei der Elektrifizierung wichtig, dass diese auch ins Unternehmen passt und das Unternehmen sich nicht der Elektromobilität anpassen muss.

Welche Chancen ergeben sich durch ein Elektrifizierungskonzept?

Dr. Ola Pronobis: Das Elektrifizierungskonzept bietet eine datenbasierte, standortspezifische und auf für das Unternehmen individuelle Werte ausgerichtete Entscheidungsgrundlage. Die Inhalte und Ziele des Konzepts sind besonders hilfreich bei einer großen Anzahl an Standorten, bei einer Vielzahl an unterschiedlichen Fahrzeugklassen sowie bei einem breit gefassten Gremium an Entscheidern im Unternehmen.

Welche Trends sind relevant?

Dr. Ola Pronobis: Die Elektrifizierung der Standorte durch die Errichtung von Ladeinfrastruktur, PV und potenziell Speichern bietet, neben der Reduktion von lokalen CO2 Emissionen, mehr Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz. Für die Energiewende bedarf es ein starkes Wachstum an dezentralen Flexibilitäten. Unternehmen können zukünftig am Energiemarkt durch die Flexibilitäten ihrer E-Fahrzeuge und Speicher partizipieren.

Fragen an Liberis Argiantzis, Kaufmännischer Leiter bei Kellner Telecom:

Welcher Stakeholder waren ins Projekt eingebunden?   

Liberis Argiantzis: Im Projekt waren die Kaufmännische Leitung, die Fuhrparkleitung und die Strategische Unternehmensentwicklung eingebunden.

Welcher Mehrwert ergibt sich durch das Elektrifizierungskonzept?

Liberis Argiantzis: Bei der Beschaffung neuer Fahrzeuge gewinnt das Thema Elektromobilität zunehmend an Bedeutung. Es ist wichtig, frühzeitig abzuschätzen, welche Auswirkungen welche Entscheidungen haben werden. Hierzu gehört beispielsweise die Dimensionierung von Ladeinfrastruktur und Solaranlagen oder ähnlichem. Die Entwicklung eines ganzheitlichen Konzepts ermöglicht es, kurzfristig anstehende Entscheidungen bereits unter langfristig tragfähigen Aspekten zu treffen.

Welche nächsten Schritte sind geplant?

Liberis Argiantzis: Als nächste Schritte stehen die Planung und die Beschaffung von bedarfsgerechter Ladeinfrastruktur an, abgestimmt auf den Zeitplan für die Beschaffung erster Elektrofahrzeuge.

Lesen Sie die konkreten Handlungsvorgaben von IE2S an Kellner Telecom sowie weitere Beiträge zum Thema Elektromobilität & Autonomes Fahren in der aktuellen Ausgabe des eMove360° Magazins. Printausgabe – auch als Jahresabo – bestellbar im eMove360° Shop.

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03.04.2024   |  

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