eMove360° im Gespräch mit Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer: Elektromobilität als Jobkiller in der Automobilindustrie? Im Gegenteil!

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Sabine Metzger hat sich mit Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer über die Ergebnisse der aktuellen CAR-Studie unterhalten.

Die EU-Kommission plant, die CO2-Emissionen von Neuwagen weiter zu reduzieren. Unter den geplanten neuen Anforderungen wären ab dem Jahr 2030 im Flottendurschnitt nur noch 47,5 Gramm CO2 / km pro Neuwagen zulässig. Sollten diese Flotten-Emissionen überschritten werden, drohen den Autobauern hohe Strafzahlungen. Der Umstieg zur Elektromobilität ist das Gebot der Stunde. In den meisten Köpfen jedoch kursiert die Meinung, die Elektromobilität sei ein Jobkiller. Laut Alarm schlagen vor allem der Verband der Autoindustrie (VDA) und die Gewerkschaften: Mehrere 100-tausende Beschäftigte könnten beim Umstieg auf die Elektromobilität ihren Arbeitsplatz verlieren. Nach dem Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April kam kurz danach eine vom VDA beim ifo-Institut in Auftrag gegebene Studie in die Presse. Das Drohszenario von 215.000 verlorenen Arbeitsplätzen bei Autobauern und Zuliefern in Deutschland kam erneut aufs Tablett. Im Jahr zuvor hatte die Nationale Plattform für Elektromobilität das Horror-Szenario von mehr 400.000 Arbeitsplatzverlusten an die Wand gemalt. Schließlich lässt sich ein EAuto mit deutlich weniger Aufwand, sprich auch weniger Personal, produzieren.

Wissenschaftlich mit dem Thema auseinandergesetzt hat sich jetzt auch das CAR – Center Automotive Research in Duisburg und kommt zu dem Fazit: Die geplante Verschärfung der CO2Regulierung in der EU gefährdet die Arbeitsplätze in der europäischen Autoindustrie weniger als befürchtet. Das Gegenteil sei der Fall: „Über alle Wirtschaftssektoren hinweg kann man positive Auswirkungen auf die Beschäftigung erwarten“. Resümiert Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor Center Automotive Research.

Bisher hörte man immer Befürchtungen, dass es zu massiven Arbeitsplatzverlusten kommen würde. Die CAR-Studie kommt zu dem Schluss, dass die Umsetzung der strengeren EU-Emissionsvorschriften sogar einen positiven Arbeitsplatzeffekt hat. Können Sie dies kurz erklären?
Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer: Natürlich werden bei Zulieferern, die einen hohen Anteil ihres Umsatzes mit Komponenten für den Verbrennungsmotor und den Abgasstrang erzielen Arbeitsplätze obsolet. Das ist fast schon eine Binsenweisheit. Aber was zählt ist die Zukunft, die neue Industriewelt des Elektroautos. Und hier gilt, wer schnell umsteuert hat die Chance, in dieser neuen Welt eine Schlüsselrolle zu spielen. Und diese Schlüsselrolle ist in Deutschland erkennbar. Unsere Chemieindustrie, etwa mit der BASF oder Umicore, die auch in Hanau vertreten sind, oder Lanxess steigen in die Batteriechemie. Ein spannendes Feld. Zum zweiten sehen wir jede Menge Ansiedlungen von chinesischen Batteriezellproduzenten – in Erfurt, im Saarland, in Bitterfeld oder bei VW in Salzgitter vom schwedischen Unternehmen Northvolt. Das australische Unternehmen Altech Advanced Materials AG führt eine Machbarkeitsstudie durch, um in der Nähe von Frankfurt/Oder, in der „schwarzen Pumpe“ für den Bau einer Beschichtungsanlage für Batteriematerialien aus hochreinem Aluminiumoxid. Und jetzt haben wir noch nicht über Tesla in Grünheide gesprochen, über Software für Batterie-Managementsysteme, Batterie-Modulfertigungen, Recycling, und, und, und,.. All das zeigt uns, welches Potential wir in Deutschland heben können. Und dabei ist noch nicht über Stromerzeugung, über Ladeinfrastruktur, über Abrechnungssysteme gesprochen. …wir sind dabei Gold zu schürfen.

Wie wichtig ist es, dass der Transformationsprozess schnell umgesetzt wird?
Prof. Dr. Dudenhöffer: Das ist das A&O. Wer wartet, überlässt die neue Industrie China, USA oder anderen europäischen Ländern. Wir sollten nicht die gleichen Fehler machen, die wir mit der Internet- und Software-Branche erlebt haben. Google, Facebook, Amazon, Apple, Microsoft: Wir haben viel verloren, weil wir uns im Fax-Zeitalter ausgetobt hatten.

Was würde passieren, wenn das Ende von Verbrennungsmotoren wie Diesel und Benzin, weiter hinausgezögert würde?
Prof. Dr. Dudenhöffer: Wir werden unsere Elektroautos aus China und anderen Ländern importieren. Die deutsche Autoindustrie wird zum Museum.

Haben die Hersteller bereits erkannt, wie wichtig der Umstieg zur Elektromobilität ist?
Prof. Dr. Dudenhöffer: VW ist seit fünf Jahren mit Hochdruck dabei und unter den klassischen Autobauern Benchmark. VW-Vorstandschef Herbert Diess hat als erster erkannt, wie lebensnotwendig und zukunftsfähig die Transformation ist. Und der VW-Konzern kann sich heute beim E-Auto sehen lassen. Der Hochlauf startet jetzt. Mercedes hat neben VW jetzt auch mit dem EQS das reinrassige Elektroauto. Weitere sind in der Pipeline. BMW ist am langsamsten unterwegs. Aber mittlerweile hat man auch in München erkannt, dass man mit dem Plug-In nicht in die Zukunft fahren kann.

Wo sehen Sie die Zulieferindustrie? Vor welchen Herausforderungen steht sie?
Prof. Dr. Dudenhöffer: Ein gemischtes Bild. Die großen wie Conti oder Bosch richten sich sehr zügig auf das Ende des Verbrennens ein. Bei Conti spaltet man das Unternehmen in – wenn sie so wollen – eine „good bank“ und „bad bank“ und sucht jetzt neue Wertschöpfung etwa in der Software, im Zentralcomputer für das Auto. Grundsätzlich laufen die Zulieferer aber deutlicher hinterher. Man hat die Elektrochemie verpasst, man ist mit den Verbrenner-Scheuklappen durch die Welt gelaufen. Das Nokia-Phänomen. Klassische Fehler im Management und bei der Unternehmens-Strategie.

Elektromobilität als Motor für andere Branchen. Welche Branchen gehen als Gewinner aus der Transformation hervor – sprich mit welchen gelingt eine Kompensation der weggefallenen Arbeitsplätze?
Prof. Dr. Dudenhöffer: Ich bin davon überzeugt – es kommt deutlich mehr dazu als wegfällt. Die Batterie – das neue Herz des Autos – hat etwa mit der Feststoffzelle enormes Potential. NanoMaterialien, das können unsere Forschungsinstitute und Chemieunternehmen, schafft Wertschöpfung. Wir dürfen nur nicht den Fehler von Wirtschaftsminister Peter Altmaier machen, jetzt den Koreanern und Chinesen hinterher zu laufen und die Zellfertigung nochmals mit viel Zeitverlust und Geld im Mittelstand erfinden. Auch in Nordrheinwestfalen meinte die Landesregierung, sie könne in Münster das Rad der Batteriefertigung neu erfinden. Da wurde viel Geld in den Sand gesetzt und die Industrie scheint sich aus dem Abenteuer zurück zu ziehen. Deutschland ist das Land der Ingenieure, auch deshalb ist Tesla nach Grünheide gegangen. Der zweite große Punkt ist das Software-getrieben Auto. Auch hier schlummert gewaltiges Potential. Wir bekommen also eine neue Zulieferindustrie – die Chemie und die IT bilden das neue Herz.

Sie sagen sogar: „Zu später Umstieg auf Elektroautos gefährdet Arbeitsplätze der Zukunft“. Können Sie das bitte kurz erläutern?
Prof. Dr. Dudenhöffer: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben hatte zurecht der frühere russische Präsident Gorbatschow gesagt. Derzeit werden die Pflöcke in den Boden gerammt. Der Industrialisierungsprozess startet. Wer am schnellsten bei großen Volumen ist, hat Kostenvorteile, die von den anderen nicht mehr eingeholt werden können. So wie bei Google, Amazon oder Facebook.

Kurzer Ausblick. Welche Autos werden das Straßenbild 2030 oder 2050 prägen?
Prof. Dr. Dudenhöffer: 2030 werden gut drei Viertel der Neuwagen vollelektrisch sein. 2050 werden vereinzelt – als Oldtimer – noch ein paar alte Verbrenner auf der Straße zu sehen sein, vermutlich mit Saisonkennzeichen zur Sonntagsausfahrt. So wie heute die Pferdekutschen.

Zur Studie: In einem statischen mikroökonomischen Modell analysiert CAR – Center Automotive Research, Duisburg die Auswirkungen dieser strengeren Regulierung auf die Beschäftigten in der Automobilindustrie in fünf EU-Automobilländern: Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, der Slowakei sowie der „Gruppe der 5“. Die „Gruppe der 5“ steht für 70 Prozent der insgesamt in der EU 27 produzierten Personenkraftwagen des Jahres 2019. Der Analyse liegt ein Modell zugrunde, das sich auf zwei Fahrzeugtypen konzentriert und die Branchendaten der Jahre 2019 und 2020 nutzt. Die Ergebnisse zeigen, dass die geplante Reduzierung der CO2-Emissionen im isolierten sektorspezifischen Modellzusammenhang kaum negative Beschäftigungseffekte für die Automobilindustrie zur Folge hat. Das „CAR – Center Automotive Research, Duisburg“ (im Jahre 2000 von Ferdinand Dudenhöffer gegründet) ist ein privatwirtschaftliches Forschungsinstitut mit Fokus auf Fragen der Mobilität mit den Standorten Duisburg (Hauptstandort) und Beijing. Es entwickelt Mobilitäts- Studien mit Schwerpunkt Automobil- und Zulieferindustrie und internationale Kongressveranstaltungen. www.car-future.com

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17.06.2021   |  

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