Polestar_Maren von Heereman. Foto: Polestar

eMove360°-Serie Women-in-Tech: Maren von Herreman, Head of Operations im Polestar-Team in Deutschland

In der eMove360°-Serie Women-in-Tech stellen wir inspirierende Frauen vor, die in der Automobilbranche Fuß gefasst haben. In der aktuellen Ausgabe des eMove360° Magazins – Fachzeitschrift für Elektromobilität und Autonomes Fahren, erzählt Maren von Heereman im Interview mit Sabine Metzger über ihre Arbeit als Head of Commercial Operations im Polestar Team in Deutschland, über den Polestar 3 und Polestar 4, den 100 Prozent Online-Direktvertrieb, den Markenaufbau und die derzeitige Marktsituation bei den Elektroautos in Deutschland.

Skizzieren Sie kurz Ihren beruflichen Werdegang? Wie sind Sie in die Automobilbranche gekommen?

Maren von Heereman: Ich habe an der RWTH Aachen studiert und 2017 meinen Master in Wirtschaftsingenieurwesen gemacht. Während meines Studiums habe ich einige Zeit am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie an unterschiedlichen Projekten unter anderem im Automobilbereich gearbeitet. Der Weg von der Uni zur Automobilbranche war also nicht weit. Die Leidenschaft fürs Auto liegt bei uns in der Familie. Letztendlich eingestiegen in die Automobilbranche bin ich bei Ford in Köln in der Produktentwicklung.

Seit wann sind Sie im Polestar Team?

von Heereman: Ich bin seit Dezember2020 bei Polestar und gehöre als Mitarbeiterin Nummer 11 zu denen, die die Marke Polestar in Deutschland aufgebaut haben. Seit April 2022 bin ich Head of Commercial Operations bei Polestar Deutschland und leite inzwischen ein etwa 30-köpfiges Team, das unter anderem den Kundenservice und den Aftersales Bereich inkludiert.

Wie darf man sich Ihren beruflichen Alltag vorstellen? Welche Aufgabenfelder gehören zu Ihrem Kernbereich?

von Heereman: Seit ich für den operativen Bereich bei Polestar in Deutschland verantwortlich bin, laufen bei mir alle Prozesse und Themen rund um Business Development, Auslieferungsplanung, Aftersales und Customer Experience über den Tisch. Konkret geht es also darum, sicherzustellen, dass der Kunde oder die Kundin einen reibungslosen Prozess durchläuft. Und falls dies einmal nicht der Fall ist, die nötige Unterstützung von uns erhält – von Bestellung, über Auslieferung bis Rückgabe eines Polestars.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Maren von Heereman aus?

von Heereman: Einen typischen Arbeitstag gibt es nicht! (Lacht) Wir müssen oft schnell auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren, um unsere Ziele erreichen zu können und die Kundenzufriedenheit aufrecht zu erhalten. Die Aufgaben sind sehr vielfältig. Das ist es ja auch, was an dem Job so viel Spaß macht.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie?

von Heereman: Dass die Customer Experience stimmt, ist bereits die größte Herausforderung. Denn wir arbeiten hier direkt mit den Menschen und wollen auf die individuellen Bedürfnisse eingehen. Damit ist gemeint, dass alle, die mit uns in Kontakt treten, eine positive Wahrnehmung von Polestar haben – und zwar ganz unabhängig davon, ob es sich um Kundinnen und Kunden oder nur um ein erstes Interesse handelt auch wenn sie letztlich keinen Polestar kaufen. Das reicht vom Lesen einer Werbeanzeige, über den Anruf beim Kundenservice bis hin zum Besuch in einem unserer Showrooms. Wir wollen erreichen, dass alle immer ein überzeugendes Erlebnis der Marke Polestar haben. Dafür bin ich nicht allein zuständig, sondern wir alle bei Polestar sorgen dafür, angefangen bei unserem CEO Thomas Ingenlath bis hin zu den Kolleginnen und Kollegen in der Produktion, im Marketing und im Vertrieb.

Seit letztem Jahr beschäftigt uns natürlich zunehmend die Lieferkette unserer Fahrzeuge. Wir müssen täglich sicherstellen, dass unsere Kundinnen und Kunden ihre Fahrzeuge rechtzeitig erhalten, uns mit unseren Partnern an den Auslieferstandorten abstimmen und dafür sorgen, dass die Logistikkette stabil bleibt.

Darüber hinaus ist es für mich persönlich wichtig, unser Team weiter zu diversifizieren, um möglichst viele unterschiedliche Perspektiven und Ideen einfließen lassen zu können. Dazu gehört auch, den Frauenanteil in unserer noch immer stark von Männern dominierten Branche zu steigern. Polestar hat sich zum Ziel gesetzt, global einen Anteil von 40 Prozent bis 2025 zu erreichen. Dabei sind wir in Deutschland mit jetzt 34 Prozent auf einem richtig guten Weg.

2022 war ein positives Jahr für die junge Marke Polestar. Worauf führen Sie den Erfolg zurück?

 von Heereman: Wir hatten ein sehr erfolgreiches Jahr 2022 und haben unser Jahresziel von 50.000 ausgelieferten Elektroautos weltweit erreicht. Auch in Deutschland haben wir unsere ambitionierten Ziele umsetzen können. Mit 7.008 Neuzulassungen haben wir eine Steigerung von 166 Prozent im Vergleich zum Vorjahr geschafft und waren die am stärksten wachsende Marke auf dem deutschen Markt. Darauf sind wir sehr stolz. Der Erfolg ist vor allem auf unser sehr starkes Team zurückzuführen, welches die Krisen in den vergangenen Jahren mit Zusammenhalt und Motivation unfassbar gut gemeistert hat!

Polestar 3 und Polestar 4 stehen in den Startlöchern? Was erwarten Sie sich von deren Marktstart?

von Heereman: Mit den beiden Elektro SUVs Polestar 3 und Polestar 4 haben wir zwei starke Angebote in einem attraktiven Marktsegment. Die Produktion des Polestar 3 wird im ersten Quartal 2024 anlaufen. Der kürzlich auf der Auto China 2023 in Shanghai vorgestellte Polestar 4 wird zunächst in China, voraussichtlich ab November 2023, auf den Markt kommen. Für Anfang 2024 ist die Markteinführung in Europa, Nordamerika und im asiatisch-pazifischen Raum geplant. Insgesamt rechnen wir für das Jahr 2023 mit einem Absatz weltweit von etwa 60.000 bis 70.000 Fahrzeugen und sind überzeugt, dass wir mit dem Polestar 2 ein sehr attraktives Fahrzeug stellen. Ab dem Modelljahr 2024 wird der Polestar 2 dann eine neue Hightech-Frontpartie erhalten die sogenannte SmartZone, die die Designsprache des Polestar 3 widerspiegelt. Zusätzlich wird es eine erhebliche Leistungssteigerung durch neue Elektromotoren und leistungsfähigere Batterien geben, wodurch wir die 600 Kilometer Reichweite weit übertreffen werden. Gleichzeitig werden unsere Autos immer nachhaltiger und mit jedem Modelljahreswechsel sparen wir Emissionen ein, indem wir unsere Produktion verbessern. Wir sind zuversichtlich, dass wir unsere Ziele bezüglich Wachstum und Profitabilität erreichen werden.

Was zeichnet die neuen Modelle aus?

von Heereman: Wie immer setzt Polestar den Fokus auf Design, Technologie und Nachhaltigkeit und wird hier neue Maßstäbe setzen. Der Polestar 3 ist unser erster SUV. Hiermit dringen wir in ein sehr attraktives Segment vor. Er ist unser erstes Fahrzeug, das mit dem NVIDIA DRIVE Core-Computer mit Software von Volvo Cars ausgestattet ist und fortschrittliche Fahrerassistenz-Sicherheitsfunktionen und Fahrerüberwachung ermöglicht. Mit dem Polestar 4 verfolgen wir einen grundlegend neuen Ansatz für das Design von SUV Coupés und verzichten komplett auf die Heckscheibe. Der Rückspiegel wird durch einen hochauflösenden Bildschirm ersetzt, der ein Echtzeitbild von einer auf dem Dach montierten Rückfahrkamera anzeigt und damit ein weitaus größeres Sichtfeld als in gängigen modernen Autos ermöglicht.

Für all diejenigen, die sich für Polestar interessieren: Wo holt Ihr Eure Kunden ab? Wie läuft ein Autokauf bei Polestar ab? Stichpunkt Direktvertrieb

von Heereman: Wir haben einen 100 Prozent Online-Direktvertrieb. Das heißt, dass bei uns die Kundinnen und Kunden online über die Webseite bestellen können. Das geht bequem von zu Hause. Man kann aber auch jederzeit in einen unserer Showrooms gehen – wir nennen sie Polestar Spaces. Davon gibt es mittlerweile neun in ganz Deutschland, überwiegend in bester Innenstadtlage. In den Polestar Spaces kann man sich vor Ort beraten lassen und Hilfe erhalten, wenn man während des Bestellprozesses Unterstützung braucht. Wir wollen unterschiedliche Touchpoints anbieten, sowohl online als auch offline. Ein Auto ist oft nach dem Kauf einer Wohnung oder eines Hauses das zweitgrößte Investment. Deshalb ist verständlich, dass die persönliche Beratung noch stark gefragt ist. Das können wir sowohl vor Ort in unseren Spaces sicherstellen als auch digital oder per Telefon durch unseren Kundenservice. Weiterhin haben wir sogenannte Handover Center aufgebaut, über die das Fahrzeug ausgeliefert wird. Diese gibt es bereits in Düsseldorf, Hamburg, Karlsruhe, Köln und München. dieses Jahr kommen Frankfurt und Berlin dazu. Wir wollen den besonderen Moment der Fahrzeugübergabe bewusst zelebrieren, nehmen uns hierfür viel Zeit. Um Fragen zu beantworten, gerade da es für viele das erste Elektroauto ist und natürlich der erste Polestar. Aber auch um die Käuferin und den Käufer als Teil der Community willkommen zu heißen.

Wie steht es um die Kundenbetreuung hinterher?

von Heereman: Die Betreuung nach dem Kauf erfolgt natürlich in erster Linie durch unsere Kundenbetreuung. Das Besondere ist, diese ist direkt bei uns in der Zentrale in Köln verortet als fester Teil des Teams. Die Mitarbeitenden arbeiten eng mit unseren Service Partnern zusammen, mittlerweile über 200 in Deutschland. Darüber hinaus bauen wir unsere Polestar Community weiter auf, die es den Kundinnen und Kunden von Polestar ermöglicht, sich untereinander zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen. Wir merken dadurch täglich, wie sehr unsere Kundinnen und Kunden mit ihrem Fahrzeug und damit mit Polestar verbunden sind. Das hat inzwischen eine Dynamik entwickelt, mit der wir selbst anfangs nicht gerechnet hätten und die uns oft staunen lässt.

Polestar ist eine junge Marke. Wie ist der Markenaufbau gelungen? Was sind weitere Pläne, um Polestar als Marke weiter zu etablieren?

von Heereman: Wir sind ein in Göteborg in Schweden ansässiges Elektroauto Start-up, das 2017 von Volvo Cars und der chinesischen Geely Holding gegründet wurde. Seit Juni 2022 sind wir an der Nasdaq in New York gelistet. Ich schicke dies voraus, damit klar wird, wo wir herkommen. Unsere Verbindung mit Volvo ist für die Marke sehr wichtig: Wir können von technologischen Synergien profitieren, das Netzwerk von Volvo nutzen und auf die gute Reputation von Volvo aufbauen.  Als Marke ist Polestar dennoch unabhängig und setzt eigene Schwerpunkte. Dadurch ist es für uns leichter, uns von den etablierten Strukturen im traditionellen Automobilgeschäft zu lösen und uns als digitale Marke zu positionieren. Und natürlich konnten wir als Start-up ohne Vergangenheit als Hersteller von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor gewisse Dinge schneller und konsequenter angehen. Als reine Elektroautomarke können wir uns vollkommen aufs elektrische Fahren einlassen. Aber wir sind mehr als nur eine Elektromarke. Wir sehen uns als Designmarke, bei der das Thema Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht. Jeder Prozess beginnt bei uns mit dem Design. Das geht jedoch über die reine Ästhetik hinaus. Wir fragen uns, welche Materialien wir nutzen und wo es neue nachhaltige Ideen gibt, mit denen wir experimentieren können. Als neue Marke haben wir hier ganz andere Möglichkeiten, da wir uns auf keinerlei Traditionen berufen müssen.

Wie sehen Sie die aktuelle Situation bezogen auf Elektroautos in Deutschland?

von Heereman: Die Vereinbarung aus Herbst 2022 auf europäischer Ebene besagt dass die Autobauer den gesamten CO₂-Ausstoß für die komplette Flotte Schritt für Schritt senken müssen. Der CO₂-Ausstoß neu zugelassener Pkw in der EU soll im Jahr 2035 schließlich bei null liegen. Dass es aber eine Ausnahme für die sogenannten E-Fuels geben soll, die möglicherweise sogar auch noch mit Steuervorteilen bedacht werden, ist aus unserer Sicht ein Irrweg, der uns nicht vom Ziel klimaneutraler Mobilität abbringen darf. Aus unserer Sicht besteht kein Zweifel daran: Die Zukunft ist elektrisch. Wir müssen uns jetzt konsequent und beherzt zur Elektromobilität bekennen – als Industrie, in der Politik und auch auf der Ebene der Verbraucherinnen und Verbraucher!

Blick in die Zukunft: Wohin wird sich die Automobilbranche in den nächsten 20 Jahren entwickeln? Was werden die großen Herausforderungen in Ihrem Bereich sein?

von Heereman: Die Automobilindustrie wird sich in den kommenden zwanzig Jahren schneller verändern als jemals zuvor. Der Wandel erfolgt im Gegensatz zu früheren Zeiten aber nicht schrittweise, sondern radikal. Software wird wichtiger, gekauft wird zunehmend online, die Hersteller sind dank des Direkt-Vertriebs in der Verantwortung gegenüber ihren Kundinnen und Kunden. Elektroautos sind die Zukunft! Aber Elektroautos sind noch nicht per se grün. Wirklich umweltfreundlich sind Elektroautos erst dann, wenn sie mit Ökostrom betrieben werden und wenn es uns gelingt, in der gesamten Wertschöpfungskette klimaneutral zu werden. Dies ist die wohl größte Herausforderung unserer Zeit. Wir haben es uns daher zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 ein klimaneutrales Auto zu entwickeln – ohne Offsetting. Die Treibhausgasemissionen wollen wir pro verkauftem Auto zwischen 2020 und 2030 halbieren. Bis 2040 ist unser Ziel, als Unternehmen klimaneutral zu werden. Wir sind uns bewusst, dass wir uns damit sehr ehrgeizige Ziele gesetzt haben. Aber weitermachen wie bisher ist keine Option! Daher gehen wir als Vorbild voran und wollen die Industrie verändern.

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19.06.2023   |  

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